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Mönche und Nonnen.
auf nnchristlichen Grunde beruhen und daher lieber Wegfällen
sollten? cs wäre zu fragen, wo denn diese Ueberlieferung
rein zu finden? woran man sie und ihre Richtigkeit erkennen
und ob sie nicht erst nach der heiligen Schrift zu prüfen sey?
Man sagt: Alles, was die Kirche außer der Schriftlehre
auch hat, und was von jeher allenthalben so gelehret wor¬
den ist, gehöret dazu. Allein wie höchst verschieden waren die
Meinungen der alten Kirchenväter und der Concillen! Da
kann man freilich Alles vertheidigen! Wenn man z. B. die
beständige Jungfrauschaft der Maria, ihre Himmelfarth,
die Anrufung der Märtyrer zu den Lehren zählt, die man
ohne Tradition nicht haben würde, so würde auch Niemand
sie vermissen. Die Stellen 2 Thcss. 2, >5. 1 Cor. i j. 2, 25.
2 Tim. 1, i3, auf die man sich beruft, beziehen sich freilich
auf mündliche Belehrungen; aber wie kann man denn daraus
auf eine besondere Erblehre schließen ? — Allein es fehlte auch
den Christen an Denk- und Gewissensfreiheit. Denn cs kam
jetzt die Lehre auf, daß die Kirche, das hieß ihr Repräsen¬
tant, der Papst mit seinen Vischöffen in ihren Aussprüchen
untrüglich sey. Wer durfte alfo gegen das, was von Men¬
schen, die sich zwar des heiligen Geistes rühmten, aber
cs weder in ihren Worten noch in ihrem Leben bewiesen, als
Lehre festgesetzt wurde, etwas einwenden? Und war es zu
verwundern, wenn ohne Freiheit des Geistes die Religion,
die erleuchten und bessern sollte, ein leeres Formclwerk wur¬
de? Wir werden bald sehen, auf welche Abgeschmartheitcn
man noch gerieth, und was man für Mittel anwendete, die
Christen in dieser Finsterniß zu erhalten.
§. 17.
Mönche unb Nonnen.
Aegypten ist das Geburtsland vieler nützlichen Kennt¬
nisse, aber auch vieler Schwärmereien. Aus einer vernünf¬
tigen Liebe zur Einsamkeit, wo der Mensch zur Besinnung
über sich selbst und über die Außenwelt kommt, entstand sehr
bald der Wahn, als ob die Absonderung von der Welt schon