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Vorrede.
wolle ihm seinen alten Glauben rauben und dadurch direkt
oder indirekt den Regierungen und Obrigkeiten vorwirft,
daß sie dabei stille sitzen? Ist es nicht unverantwortlich,
wenn erst Scheibet in Breslau den alten Streit über das
Abendmahl erneuerte, und ein Professor i.n Halle sich über
die Union, welche im Jahr 1817 ein so frommer und hoch-
achtungswerther König von Preußen beförderte, aber
nicht aufdrang, jetzt so erklärt: „Man hat mit mensch¬
licher Kunst meist unerfreulicher Weife parteiisch (??) gegen
die Wahrheit unirt, und endlich Wahrheit und Lüge,
Reich Gottes und Welt vereinigt;" „man hat zu Luthers
Schmach eine modern indifferentisiisch zusammengeschmolzene
Kirche gebildet."*) Das ist also der Ehrenname der Kirche,
in welcher der wahrhaft religiöse Landesvater und die wür¬
digsten Lehrer mit Tausenden ihrer Mitchristen andachtsvoll
das Liebesmahl feierten? Dabei beruft sich dieser Mann
„auf die lutherischen Theologen Heubner, Scheidet u. a.
und auf die reformirten, Hengstenberg, Theremin u. a."
Sollen denn wirklich die Zeiten zurückkehren, wo die Refor-
mirten von den Lutheranern „Seelfresser und Seelmörder"
und die Lutheraner „-Fleischfresser und Blutschlucker" ge¬
schimpft wurden? oder too sie einander aus den Kirchen
prügelten? Hat denn der König durch die Union Jndiffe-
rentismus begünstigen wollen, oder war es nicht vielmehr
sein Wunsch, daß man sich nur an die Worte Christi hal¬
ten, aber die Erklärung jedes Gewissen überlassen solle,
indem man sich darüber noch nie habe vereinigen können,
und daß man nur das Hadern darüber beseitigen solle?
Heißt das im Geiste christlicher Einigkeit predigen? heißt
*) Allgemeine Kircheuzeitung Nr. 61, 1831.