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Dagegen stritt man sich in Deutschland über eine Nebcndeclaration Ferdinands I.
vom 24. Sept. 1555, derzufolge diejenigen von Adel, Städten, Communen und
llnterthancn der geistlichen Stände, welche seit Jahren bei der Augsburgischen
Confession gewesen, durch ihre Obrigkeiten nicht bedrängt, sondern bis zu christlicher
Vergleichung der Religion gelassen werden sollten, über das Reformationsrecht und
über den geistlichen Vorbehalt, und man knüpfte noch auf dem Reichstage 1578,
wo man sich auch gegen die Annahme der Krone Polens aussprach, die Bewilligung
der Türkenhülfe an die Gültigkeitserklärung jener Declaration und an die Vernich-
tung jenes Vorbehalts. Aber der Kaiser ging im Reichsabschicd nicht darauf ein.
In derselben Stunde, wo dieser verlesen wurde, starb Marimilian II. 11. Oct.
1576 zu Regensburg, wahrscheinlich von einer Quacksalbcrin aus Ulm in seiner
längeren Kränklichkeit schlecht behandelt, nachdem er noch die Wahl seines Sohnes
Rudolf zum römischen König durchgesetzt hatte. Er war durch bittere Erfahrungen
in Religionssachen auf den Punkt gekommen, als Kaiser gar keiner Partei
anzugehören, sondern zu thun, „was er amtshalber zu thun habe."
Fünftes H a u p t st ü d>.
Innere Verhältnisse des deutschen Reiches, Volkes und Landes unter Ein¬
wirkung der Reformation und ihrer Gegner.
Eine Begebenheit von solcher Vorbereitung, Dauer und dem Umfange, wie
die Reformation des sechzehnten Jahrhunderts war — die Beantwortung gleichsam
einer Lebensfrage für die höheren geistigen Interessen der Deutschen — mußte ihrer
Natur nach mittelbar oder unmittelbar nicht blos dem äußeren Gange der Ge¬
schichte eine eigenthümliche Richtung geben, sondern auch in alle innere Verhältnisse
mächtig durchbildend einwirken. Wie auch die schönste Gegend bei trübem Himmel
des Wechsels von Licht und Schatten und damit der Anmuth entbehrt, so kommen
erst mit der Reformation Wechsel und Lebendigkeit der Farben, reiche Lichtstreifen
neben gewaltigen Schlagschatten in das Gemälde des deutschen Volkes. Denn nur
scheinbar tritt dieses hinter die starren Formen des Reiches zurück; es lebte desto
lebendiger in seinen einzelnen Gesellschaften, in den Staaten und Gebieten Deutsch¬
lands, und wenn manches mittelalterlich Gewaltige oder jugendlich Rasche fortan
verschwindet: so tritt dafür der höhere recht thatkrästige Ernst, die gemeßnere Be¬
sonnenheit des auch über die nächste Stunde hinaus auf die Zukunft denkenden,
nicht blos für leibliche, sondern auch für geistige Wohlfahrt sorgenden Mannes ein.
Eine geordnete Thätigkeit, ein zweckmäßig verthcilter Hausrath braucht weniger
Raum, eine fleißige Familie ein kleineres Haus, als wo Alles ungeregelt und
planlos liegt und, was in der Nachbarn Häuser vorgeht, uns wichtiger erscheint,
als was im eigenen nutz und vonnöthen wäre.
Das mittelalterlich burgundische Reich war in Südfrankreich, Savoyen und
Schweiz aufgelöset, und ein kleiner unscheinbarer Rest zum oberrheinischen Kreis ge¬
schlagen. Der burgundische Kreis dagegen zerfiel in die belgisch katholische und
in die batavisch protestantische Hälfte, wovon die erstere nach dem Aufstande der
Niederlande zu Spanien zurückkehrte, die andere aber einen von Deutschland un¬
abhängigen Freistaat der sieben vereinigten Provinzen — im Utrechter Vertrage