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Auch der niederländische Krieg, besonders die Rheinsperre, that dem deut¬
schen Handel und vor Allen der Stadt Eöln großen Schaden. Natürlich litt
auch Frankfurt darunter, welches die gemeinschaftliche Niederlage des ober- und
niederdeutschen Handels war. Jetzt nach dem Kriege hätten die Augsburger nicht
mehr wie 1516 das Geld zum Joachimsthaler Bergwerk hcrgeben können. Noch
im I. 1610 waren daselbst 475,184 Stücke Barchent gewebt worden (nach dem
Kriege waren von 6000 Meistern nur 500 übrig), war Augsburg mit Ulm, Mem¬
mingen ein Hauptsitz der Leinwand-Manufactur. In Ulm und der Umgegend wur¬
den jährlich 200,000 Stück Linnen und Barchent gemacht. In Metallwaren zeich¬
nete sich besonders Nürnberg aus, und früher, als irgendwo, fing man hier an,
fabrikmäßig zu arbeiten und den Fabricaten den Vorzug ungemeiner Wohlfeilheit zu
geben. Die kunstreichsten astronomischen Uhren, wie die von Roll für Kaiser Ru¬
dolf II. 1589 gemachte oder das Uhrwerk zu Augsburg selbst, welches Lauf der
Sonne und Fixsterne, wie des Mondes und der Planeten, künstlich ansdrückte,
waren Augsburger Arbeit. „Die Natur selbst müsse darob erstaunen," schrieb
Paul Eremita, der es 1609 sah. Selbst in Italien waren die geschicktesten Gold¬
schmiede, Uhrmacher und Kupferstecher meist Deutsche oder Niederländer. Letztere
liefen aber den Deutschen bald den Rang in der Tuchfabrication ab. Die deutsche
blühte besonders in Aachen und am Niedcrrheine überhaupt. Hamburg bereitete
viel Tuch, versorgte auch bis an den Schluß des 16ten Jahrhunderts Frankreich,
England, Spanien und Niederland fast ausschließlich mit seinem sclbstgcbraucten
Biere, bis Lübeck darin mit ihm wetteiferte. In erstcrcr Stadt kommt 1570 schon
eine Windmühle vor. In Nürnberg hatte man sogenannte gesperrte Handwerke¬
deren Meister blos Bürgersöhne ins Handwerk aufnehmen durften, wogegen diese
sich eidlich verbindlich machten, keinem Fremden die Handgriffe zu entdecken. Gegen
den theuren Indigo, „die Teufclsfarbc," die dem besonders in Thüringen und
Sachsen stark getriebenen Waidhandcl und Waidbau Abbruch that, erklärte sich
selbst die Reichspolizeiordnung von 1577; die Ausfuhr des Rheinweins wurde schon
auf l1/2 Mill. Gulden geschätzt. — Der Handel Leipzigs stieg auf Kosten des Er-
furtischcn und erhielt noch 1635 durch 2 Roß- und Viehmgrkte Zuwachs. Gegen
die Thcurung (im I. 1621 war das Korn von 2—14 Rthlr., der Hafer von 16 Pf.
auf 9 Gr. (die Metzesj, der Häring von 3—18 Pf., das Paar Schuhe von 12 Gr.
bis auf 2 oder 4 fl, die Elle Tuch von 1 bis auf 4 Rthlr. aufgeschlagcn), konnte
man nichts ihun, auch war sie nicht allein Folge des Krieges, sondern der Vermehrung der
edcln Metalle von America aus. Aber diese edcln Metalle verschlang der Krieg und
gab die scheußlichsten Kipper- und Wippcrmünzcn (die vollhaltigcn, welche auf der
Wage niederkippten, wurden cingcschmolzen, und nur, die in die Höhe wipp¬
ten, im Umlauf gelassen) dafür wieder. Von solcher Lumpen münze enthielten
100 Rthlr. kaum für 5—10 Rthlr. Silber. Der Leipziger Rath prägte 4- oder
8eckige Bleche mit dem Stadtsiegcl als Jnterimsmünzzeichen (1621); die Innungen
machten Stücke Leder, mit dem Jnnungszeichen versehen, zu Scheidemünze. Die
Kipper- und Wipperhäuscr stürmte man hie und da oder schoß bei feierlichen
Schießen wenigstens nach solchen gemalten Geldrattcn. — Diese Schießübungen
und Schützengilden in den Städten waren eines der wenigen Ueberblcibscl oder
Erinnerungszeichen an eine Zeit, wo in Wahrheit die Städte eine ganz andere
Rolle gespielt "hatten. Aber wie jener griechische 30jährige Krieg den Städten und
den Staaten die schönste Blut he abgestreift hatte, that es auch der 30jährige Krieg
der Deutschen. Mit dem Gelde und der Gcwerbthätigkeit sank allmählich das An¬
sehen der Städte, und die steigende Fürstenmacht fand keinen Beruf, sie anders
als zu ihrem eigenen fürstlichen Vortheil gedeihen zu lassen.