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beutel aus Fledermaushäuten, das Schatzegrabeu, das Geisterrufen au Kreuzwegen,
das Brennen des Wunderpulvers aus den Knochen Hingerichteter Verbrecher--
kommt noch häufig vor. Noch wollte Niemand einen Scharfrichter oder Abdecker
zu Grabe tragen, ihren Weibern in Kindesnöthen Niemand beifpringen. Auch die
Strafen waren oft noch unmenschlich und roh. Kindermord wurde in Dresden mit
dem gräßlichen Säcken gebüßt. Man steckte den Verbrecher in einen Sack zugleich
mit einem Hunde und Hahne, einer Katze und einer Schlange, verschloß den Sack
und stürzte ihn so von der Brücke in die Elbe. — In Preußen mußte sich die
Kindsmörderin den ledernen Sack vorher selbst nähen. — Für die höhern Stände
war noch immer Frankreich Vorbild in der Sprache, Erziehung, Tracht und Sitte.
Man reiste selbst während der Kriege mit Frankreich nach Paris; man ließ sich
lebensgroße Kleiderpuppen und die dem Satan anfangs zugeschriebeneu Perrücken
schicken. Darin mochte der obengenannte Becher Recht haben, daß jährlich blos
für Modewaaren 4 Mill. Thlr. auö Deutschland nach Frankreich gingen. Köche,
gestickte Kleider oder besetzte mit goldenen Tressen, Schminke, Puder kamen an¬
fangs aus jenem Lande; man verbesserte die Gestalt durch Stelzenschuhe, Wülfte,
die man an zu mageren Theilen anbrachte u. dgl. Die Franzosen waren dam t
ganz zufrieden und meinten selbst, das deutsche Blei müsse durch französisches
Quecksilber flüssiger werden!
Für die Maler- und Bildhauerkunst wurden eigene Akademieen in
Berlin, in Dresden u. a. O. errichtet. In Sachsen lebte Permoser (ein Baier),
Dietrich, die Dinglinger, Bähr, Chiaveri und viele andere Künstler; Baiern hatte
damals die schönsten Lustschlösser und Paläste. Für den Victoriensaal zu Schlei߬
heim bereisete Beich die Schlachtfelder, lieferten Amigoui und Peter Martin die
Gemälde. In dem altberühmten Nürnberg war die Kunst noch nicht ganz ausge-
ftorbeu, wiewohl der Künstler jetzt mehr an die Höfe sich ziehen ließ. Augsburg
bekam seinen berühmten Schlachtenmaler Rugendas. Nirgends sah man prächti¬
gere italienische Opern, als in München, für welche Graf Bissari, Giöberti und
Orlandi dichteten. Nur das Volkstheater — das erste in einem Brauhause —
war dort noch zurück. Auch in Sachsen fing Oper und Theater an sich zu verbes¬
sern. Freilich zeigten Schochs Komödie vom Studentenleben 1657 und Haugwitz
schuldige Unschuld oder Maria Stuarda 1683 nur erst Anfänge. Johann Veltheim
bildete die erste stehende Schauspielergesellschaft in Leipzig, und diese spielte, 12
bis 14 Personen stark, abwechselnd in Berlin, Nürnberg, Hamburg, Frankfurt,
Breslau. Freilich durfte der Pickelhering oder Hanswurst dabei so wenig, als auf
dem Gerüst des Quacksalbers fehlen.
Wenn die deutsche Sprache und Nationalpoesie trotz dieses Nachäf-
fens des Fremden wirklich Fortschritte machte, so war es kaum das Verdienst der
sogenannten zweiten schlesischen Schule, die nur als Uebergang zur neuern Zeit
Erwähnung verdient; dahin gehören Hoffmann von Hoffmannswaldau (1618 bis
1679) mit seinen Bilderüberladungen, Kasp. von Lohenstein (1635 — 83) mit ver¬
schrobener Ungewöhnlichkeit und Gräßlichkeit. Sein Roman Arminius und Thus¬
nelda fand in Anselm von Ziegler und Klipphausen (1633 — 1697), dem Vers,
der asiatischen Banise, Nachahmung und Ueberbietung. Höher standen als Dichter
v. Canitz (1654 — 1699) aus Berlin und der Schlesier Neukirch (1665 — 1729),
Warneck, Besser u. A. — Als eine Probe des Besseren aus dem Ende jener Zeit
diene folgendes Gedicht auf den Held Eugenius von Savoyen:
Wie! muß Eugenius so sanft, so still entschlafen?
Warum starb unser Prinz nicht beym Geräusch der Waffen?
Voll Eifer, voller Muth, bcy der Trompeten Schall,