Full text: Geschichte des deutschen Volkes und des deutschen Landes

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ten und Voller zn einem unter französische Botmäßigkeit zu stellenden Ganzen be- 
stimmt gewesen seien. Vielleicht war zu dem Mittelpuncte dieses Ganzen Erfurt 
aufgespart. Der Handel Deutschlands war so gut wie vernichtet, seitdem die wahn¬ 
sinnigen Decrete von Trianon und Fontainebleau alle seewärts eingegangenen 
Colonialwaaren einem Jmpost von 50 Proc., alle englische Fabrik- und Manufac- 
tur-Waaren auch noch als versteuertes Eigenthum des Käufers der Wegnahme und 
Verbrennung unterwarfen. Heimliche Spionerie und Angeberei wurde reich bezahlt 
und belohnt, die hohe und geheime Polizei untergrub alles Zutrauen, und selbst 
das Briefgeheimniß war nicht sicher unter seinem Siegel; und Scheiterhaufen einer 
Handels-Inquisition loderten hier und dort mit den schönsten Waaren auf; die 
Preßfreiheit wurde vernichtet, der Buchhandel zerstört. Nur mathematische und 
Naturwissenschaften wurden noch einigermaßen aufgemuntert. Deutsche Ehren¬ 
männer, denen man Publicität und Ansehen zutraute, standen unter strenger Auf¬ 
sicht oder wurden aus dem Schoße der Familie gerissen, nach Frankreich oder in 
deutsche Gefängnisse geschleppt (wie Niemeyer, Becker u. A.), die Philosophen 
waren unbeliebt, hießen Ideologen, Anarchisten. Die Literatur, das laute Denken 
der Nation, stand unter strengster Aufsicht, die Zeitungen wurden bis zum Ekel¬ 
haften bevormundet. Alle politische Nachrichten waren durch französische Censor- 
lumpen filtrirt. Der Moniteur war die Zeitung des französischen Continents. 
Schweigen war das Beste *). Das Werk der Frau von Staül über Deutschland 
wurde zur Einstampfung verurtheilt. Das Mißtrauen herrschte überall; und ein 
französischer Gensd'arm konnte durch sein bloses Eintreten ein unruhiges Theater¬ 
parterre voll Studenten beruhigen. Die französische Conscription mußte eingeführt 
werden, und die deutsche Jugend blutete zum Theil auf den Feldern Spaniens, 
wie später Rußlands. Das französische Gesetzbuch wurde zuvorkommend von einigen 
kleinen Staaten angenommen. Das Schreckliche war, daß sogar edle deutsche Fürsten sich 
schmählicher Zumuthungen von Napoleons Seite nicht mehr erwehren konnten. Als 
englische Fahrzeuge, von den Herbststürmen überfallen, auf der Ostsee herumkreuzten, 
foderte Napoleon den König von Preußen auf, ihnen seine Häfen zu öffnen, sich 
der Ladungen zu bemächtigen und diese an Frankreich in Natur, gegen Abrechnung 
für die rückständige Schuld, zu überlassen. Es war ein Gegenstand von 5 Mil¬ 
lionen Thalern, welche die preußischen Cassen dabei gewannen"'*). Dem preußi¬ 
schen Handel wurde auch dadurch ein tödtlicher Stoß gegeben, daß dieses Land die 
ungeheuren Ausfuhrzölle aus Getreide und Schiffsbauhol;, welche Napoleon in 
Frankreich vorgeschrieben hatte, nun auch einführen mußte. Selbst der Tod der 
edeln Königin Louise 19. Juli i8io war ein Verlust nicht nur für den so tief ge¬ 
beugten edeln Monarchen, sondern auch für das ganze Land. So sind wenig Lan¬ 
desmütter geliebt, verehrt, betrauert worden. Die Morgenröthe des bessern Tages, 
der vom Osten kam, hat sie nicht erlebt, sie ist in der Mitternachtsstunde ihres 
Staats gestorben. 
Zu vorübergehend sind die Erscheinungen eines Königreichs Westfalen und 
der Großherzogthümer Berg, Frankfurt und Wirzburg, als daß weitläufig von 
ihrer inneren Lage hier zu sprechen sei; auch war damals Alles provisorisch, und 
nur Eines unwandelbar, der Wille Napoleons, daß kein anderer Wille neben dem 
seinigen gelten solle. Der Staatsmechanismus in Westfalen (mit 700 Meilen 
*) Hier Mt, wie diese Zeit überhaupt an die Tibetische Periode erinnert, wieder das: juvene» 
pee Silentium ad senectutem pervenimus. Einen Tacitus fall Napoleon in Stucken zerrissen 
haben, ei» eben >o unmächtiger Zorn, als wenn Karl Theodor von Baiern die französischen 
Nevón,tivnsschriften in Schweinsleder binde» ließ. 
Manso, Ge sch. d. preuß. Staates, IIl. 85. 
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