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aus ihrem Munde war eine Belohnung. Im Lager herrschte
Ueberfluß; Freude und Hoffnung belebte alle Herzen; in
der Stadt dagegen verbreitete die Furcht vor Hungersnoth
und das Ausbleiben aller Hülfe allgemeine Bestürzung.
Umsonst machte die Besatzung einen wüthendcn Ausfall nach
dem andern; sie wurde immer zurückgeschlagen, die Stadt
immer enger eingeschlossen. Neue Hoffnung schöpfte sie,
als einst Feuer in den Zelten der Christen auskam und
das halbe Lager ein Raub der Flammen wurde. Allein
Ferdinand ließ jetzt statt Zelten Hauser bauen, und bald
wuchs eine ansehnliche Stadt aus der Erde hervor.
Als endlich die Belagerung neun Monate gedauert
hatte, und keine Hülfe aus Afrika herüberkam, hielten die
Belagerten ihren Zustand für rettungslos, und ließen sich be¬
reden, sich zu ergeben. Sie mußten Ferdinand für ihren
König erkennen und alle gefangenen Christen ausliefern.
Dagegen sollten sie nach ihren Gesetzen und Gewohnheiten
regiert werden, alle ihre Güter und die Hälfte ihrer Moscheen
behalten und freie Religionsübung haben. — So glaub¬
ten die Granadier nichts als einen Theil ihrer Gotteshäuser
und ihren König Boabdil zu verlieren, den sie nicht
achteten. Er beweinte wie ein.Weib einen Thron, den er
nicht als Mann zu vertheidigen wußte.
Die Stadt wurde nun feierlich an das christliche Heer
übergeben und am 2. Januar 1492 hielten Ferdinand
und I sab ella mit großer Pracht ihren Einzug unter dem
Donner des Geschützes. Die Straßen aber waren öde und
verlassen; alle Bewohner hatten sich in die Hauser zurück¬
gezogen, um ihren Schmerz, ihre Thränen vor den Augen
der Sieger zu verbergen.
Der Siegeszug ging nach der großen Moschee, die
schnell in eine Kirche umgeschaffen worden-war, um Gott
ein Dankopfer zu bringen. Indessen pflanzte der neue