Pfeile und drangen auf Odysseus ein. Aber Athene verhinderte, daß
auch nur ein einziges ihrer Geschosse traf. Immer mehr schmolz das
Häuflein der Freier zusammen; sie alle traf der blasse Tod, und nur den
Sänger Phemius verschonte Odysseus.
Als dann Eumäus und die übrigen Diener des Odysseus, welche
frohlockend die Rückkehr ihres Herrn begrüßten, den Saal von den
Toten gesäubert hatten, eilte Eurykleia hinaus zu Penelope und meldete
ihr, daß Odysseus heimgekommen sei. Aber Penelope vermochte es nicht,
ihren Worten zu glauben. Dennoch ging sie hinab in den Saal. Stumm
betrachtete sie den noch immer in Lumpen gekleideten Mann, schwankend
zwischen Zweifel und Glauben. Da aber schenkte Athene ihrem Schütz¬
ling seine frühere Gestalt wieder, und neue, herrliche Anmut verlieh sie
ihm, daß er noch schöner erschien als je zuvor; mächtig wallten die
Locken von seinem Haupte herab und gaben ihm das Ansehen eines
Gottes. Da hielt es Penelope nicht länger; weinend eilte sie auf ihn
zu und umschlang ihn mit liebenden Armen. Das war das Ende der
vielerlei Leiden, welche Odysseus zu erdulden hatte.
196. Kolon uncl Krösus. Von cuäwlg siacke.
Erzählungen aus der griechischen Geschichte. 18. Aufl. Oldenburg 1881. 8. 109.
VlTuf seinen Reisen kam Solon nach Sardes, der Hauptstadt von
%\ Lydien in Kleinasien, wo damals der durch seine unermeßlichen
Reichtümer berühmte Krösus herrschte und von vielen weisen Männern
der damaligen Zeit besucht ward. Auch den Solon bewirtete Krösus
freundschaftlich in seiner Burg und ließ ihn durch einen Diener in allen
Schatzkammern umherführen und ihm alle Herrlichkeiten zeigen. Als
Solon alles gesehen hatte, fragte ihn Krösus also:
„Mein Freund aus Athen, man hat uns schon viel von dir erzählt,
von deiner Weisheit und deiner Wanderung, wie du, um die Welt zu
sehen, voll Wißbegierde umhergereist. Nun habe ich großes Verlangen,
dich zu fragen, wen du von allen Menschen, die du kennst, für den
glücklichsten hältst." Also fragte er in der Meinung, daß er der glück¬
lichste wäre; Solon aber schmeichelte gar nicht, sondern redete die Wahr¬
heit und sprach: „Herr, den Tellus von Athen."
Das nahm den Krösus wunder, und er fragte voll Erstaunen: „Und
warum hältst du denn den Tellus für den glücklichsten Menschen?"
Äolon sprach: „Zum ersten hatte Tellus bei dem blühendsten Zu¬
stande der Stadt edle und vortreffliche Söhne, die alle wieder Kinder
hatten, und die waren alle am Leben, und zum andern, da er nach
menschlicher Kraft ein glückliches Leben geführt, so kam noch dazu ein
glänzendes Ende. Denn als die Athener wider ihre Nachbarn in Elensis
stritten, eilte Tellus zur Hilfe herbei und schlug die Feinde in die Flucht
Porger-Wolff, Lesebuch für Knabeu-Mittelschulen. IV. 19