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an Einem Tage; im Ganzen aber kamen über zweihundert
in den Flammen um. Alle riefen noch auf dem Scheiter¬
haufen Gott zum Zeugen ihrer Unschuld an. Der brave
Großmeister, Johann von Molay, der, eben so, noch
in dem Augenblick des Todes seine und des ganzen Ordens
Unschuld laut betheuerte, wurde nebst einigen Andern, an
einem kleinen Feuer langsam gebraten.
Das ganze Volk, so sehr es wider die Tempelritter
eingenommen war, sah diesem gräßlichen Feuerwerk mit
Entsetzen und Abscheu zu. König Philipp aber ließ aus
den vollen Cassen der Ritter 200,000 Livres in seinen
Schatz bringen, und seinem Sohne 60,000 Livres auszah¬
len. Die übrigen Güter wurden zum Theil an die Johan¬
niter und andere Orden vergeben, und der ganze Tempel¬
herrenorden aufgehoben.
Wohl war es möglich, daß einzelne junge Ritter in
lustigen Gelagen sich mancherlei Tollheiten erlaubten, wie
es ja auch noch heutiges Tags bei den Studirenden auf
unfern Universitäten geschieht. Aber Spiele jugendlicher
Unbesonnenheit, die doch nur Einigen zur Last sielen, an
Allen mit Kerker und Tod zu bestrafen, war eine empö¬
rende Ungerechtigkeit, zumal da die Aussagen der Zeugen
nur schwankend waren, und die durch Martern erpreßten
Geständnisse in dem Augenblick des Todes alle widerrufen
wurden. Philipp der Schöne brandmarkte durch seine Grau¬
samkeit auf ewig seinen Namen bei der Nachwelt.
10. Wilhelm Teil, oder die Entstehung des
Schweizerbundes 1308.
Zu Anfänge des vierzehnten Jahrhunderts war die
Schweiz noch nicht, wie heut zu Tage, ein geschlossener
freier Staatenbund, sondern das Land war unter mehrere