Full text: Deutsches Lesebuch für kaufmännische Fortbildungsschulen und verwandte Anstalten

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75. Ernst Wilhelm Arnoldi. 
gefiel jedermann. Sem gewinnendes Wesen hinter dem Ladentische führte 
Kunden aus allen Ständen heran, seine anregende Unterhaltung erwarb 
ihm manchen Freund und Gönner. Nicht lange nach seiner Rückkehr 
ging ein frischer Zug durch das väterliche Geschäft, das sich vornehmlich 
dem Handel mit Kolonialwaren zugewendet hatte. 
II. 
Seitdem im Jahre 1803 Arnoldi Teilhaber an dem Geschäfte des 
Vaters geworden war, begann seine rastlose Wirksamkeit, die sich bald auch 
den gesamten Interessen des Vaterlandes zuwandte. In dem Geschäfte 
ging sein Streben zunächst dahin neue Handelsartikel einzuführen sowie 
für die Erzeugnisse seiner Heimat auswärts einen größeren Markt zu 
suchen. Schon 1803 gab sich die erhöhte Tätigkeit in der Errichtung 
einer Farbenfabrik zu Nemstedt in der Nähe von Gotha kund; im 
Jahre 1808 folgte die Gründung einer Steingutfabrik in Elgersburg 
unweit Ilmenau. Daneben dachte er eifrig darüber nach, auf welche 
Weise die Wunden schneller zu heilen wären, welche die langen Kriegs¬ 
jahre dem Vaterlande geschlagen hatten, und stand vielen mit Rat und 
Tat bei. In den Jahren 1816—17, in denen eine Mißernte allgemeine 
Teuerung hervorrief, suchte er den Notstand durch Herbeischaffung größerer 
Mengen von russischem Getreide zu lindern. 
War sein Name schon vorher im Gothaer Lande bei mehr als einer 
Gelegenheit achtungsvoll genannt worden, so lenkte dieses letztere Ver¬ 
dienst die Aufmerksamkeit seiner Mitbürger in höherem Grad auf ihn 
und die Kramerinnung erwählte ihn zu ihrem Vorstande. Dies Amt bot 
ihm vielfach Gelegenheit, den Mißbräuchen und Übelstünden, welche er 
während mancher Jahre hinter dem Ladentisch in vollem Maße kennen 
gelernt hatte, entgegenzutreten und vor allem die nötige Teilnahme für 
die höheren Interessen des Berufes unter den Standesgenossen zu wecken. 
Er hoffte, diesen Zweck durch Gründung eines Vereins unter dem Namen 
„Jnnungshalle" erreichen zu können, welcher nicht nur die dem Klein¬ 
verkäufe von Kolonial- und Materialwaren ungehörigen Zunftgenossen 
sondern den gesamten Handelsstand Gothas umfassen sollte. Bald 
befand sich die Sache im Gange. Das sogenannte Neue Rathaus, 
welches geeignete Räume darbot, ward zu einem mäßigen Preise für die 
Kramerinnung erworben. Ein Lesezimmer, mit Landkarten geschmückt, 
wurde eingerichtet und mit politischen und Fachzeitungen, den neuesten 
Einfnhrlisten der ersten deutschen Seestädte sowie den Kursblättern der 
Wechselplätze ausgestattet. Durch ansehnliche Schenkungen gleichgesinnter 
Mitglieder entstand eine Bibliothek und eine Warensammlung. Lebhaft 
war der Verkehr am Abend, wo die Vereinsgenossen bei einem Glas 
Bier sich versammelten und geschäftliche oder allgemein bildende Unter¬ 
haltung pflegten; jedes Spiel war verboten. 
Als der Verein durch den Beitritt aller handeltreibenden Bürger 
Gothas fest gegründet war, beschäftigte sich Arnoldi mit den Zustünden, 
unter welchen die jungen Kaufleute jener Zeit ihre Ausbildung erlangten. 
Namentlich beklagte er, daß der Handelsstand die letzte Zuflucht für 
solche bilde, die zum Studieren keine Anlage und zu geregelter Tätig- 
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