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Zweites Buch.
niglichen Hof und den jungen König zu Ambosse 15. März 1560
zu überfallen, mißlang, denn die Guise waren auf ihrer Hut gewe¬
sen. Indessen machten sich die Guise nicht allein bei dem calvinisii-
schen, sondern auch bei dem katholischen Adel durch die Harte und
Gewaltsamkeit, mit der sie auftraten, verhaßt, also daß Alles nach
den Generalstaaten verlangte. Die Königin Katharina, ungern sich
von dem Gouvernement fern haltend, von dem die Guise sie ge¬
drängt, war denselben ebenfalls zuwider. Diese glaubten in
etwas nachgeben zu müssen und beriefen daher die Notabeln des
Reiches nach Fontainebleau. Sie kamen 21.Aug. 1560 zusam¬
men, als die Calvinisten in der Dauphine bereits zu den Waffen ge¬
griffen und Lyon und Avignon bedroheten, die Verfolgungsedicte
ohne Gefahr des Bürgerkrieges kaum mehr in Vollziehung gesetzt
werden konnten. In der Versammlung der Notabeln aber erhoben
sogar zwei katholische Kirchenfürsten, Marilac, der Erzbischofs von
Vienne, und Mvntluc, der Bischoff von Valcnce, ihre Stimme ge¬
gen die Verfolgung: eine Nationalsynode müsse berufen werden, die
Kirche habe allerdings einer Reform dringend nöthig. Die Guise
hatten ihren früheren großen Einfluß auf den König verloren. Die
Königin Katharina und der Kanzler L'Hopital hatten sie verdrängt.
Franz H. berief nach der Meinung der Notabeln die Generalstaaten
ein und suspendirte die Vollziehung der Edicte gegen die Calvinisten.
Aber der Gang der Ereignisse und die Zukunft, sie lagen keineswe-
ges in der Macht des Königthums allein. Katholiken und Calvini¬
sten, der Adel allenthalben vorauf, waffneten sich schon gegeneinan¬
der durch das ganze Reich, und in jeder Partei war das glühende Ver¬
langen nach einem absoluten Triumphe. Die Katholiken haßten in den
Calvinisten die Feinde der heiligen Kirche, deren Mord, wie die Je¬
suiten verkündeten, in den Himmel führte, die Ketzer, welche um
keinen Preis auf dem Boden der Rechtglaubigkeit geduldet werden
dürften. Die Calvinisten dagegen haßten in den Katholiken die
Feinde Gottes und des heiligen Evangelii, die mit der Schärfe des
Schwertes geschlagen werden müßten, wie die Diener der Abgötter
von den Kindern des alten Testaments niedergestreckt worden. Wo
die Calvinisten die Meister spielen, da brechen die katholischen Kir¬
chen , die Heiligenbilder, die Kreuze, die Reliquien zusammen, wo
sie können, beantworten sie die Grausamkeiten der Katholiken mit
Grausamkeiten derselben Art. Wie die wilden Thiere des Waldes
zerreißen sich Katholiken und Calvinisten in Frankreich unter einander.
Die Calvinisten aber sind die Minderzahl, der Nachtheil in diesem
barbarischen Ringen, das über den ganzen Boden von Frankreich in
tausend und abermals tausend Sceuen voll Blut und Jammer er-