Full text: Geschichte der neueren Zeit für höhere Unterrichtsanstalten und zum Selbstunterrichte Gebildeter (Bd. 3)

Die Reformation. 
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walt und die Doctrin, welche dieses Streben hält, sich emporthun, 
stellt sich auch die Doctrin von der Volksgewalt und das Streben 
nach ihr auf. Es paßt aber die Volksgewalt für die ganzen euro- 
päischen Zustande und Verhältnisse durchaus nicht. Sie paßt um 
so weniger, je bürgerlicher das Leben wird, jemehr der Gewerbs- 
und Erwerbstrieb in demselben vorwaltet. Diese ziehen die Men¬ 
schen, weil sie beschäftiget sind mit dem Erhalt des Lebens, noth- 
wendig von dem Gedanken, die Staatsgewalt selbst zu handhaben, 
hinweg, wie großen Reiz dieser Gedanke sonst auch immer ha¬ 
ben möge. Nur wenn und wo die Fürstengewalt zu absolut ge¬ 
worden, tritt das romanische und germanische Europa gegen sie auf 
und stellt sich auf die Doctrin von der Volksgewalt. Aber es gewahrt 
bald, daß diese nur zu eigenem größten Schaden in das Leben ge¬ 
setzt werden könne. Sie läßt wieder von ihr ab und sucht eine 
Vermittelung zwischen ihr und der absoluten Fürstcnmacht. Irr 
dieser Vermittelung liegt für den besonnenen Theil der Welt der 
wahre europäische Staat, wie er für die jetzigen Verhältnisse zu 
passen scheinet. Der Kampf der Meinungen über die Fürstcngewalt 
aus der einen und die Volksgewalt auf der andern Seite bildet eine 
der bedeutendsten Erscheinungen in der Geschichte der neuern Zeit. 
Nirgends auf dem europäischen Festlande vermag die Lehre von 
der Volksgewalt eine absolute Geltung, eine lange Dauer, einen 
breiten und tiefen Boden zu gewinnen. Ihr Dasein scheinet nur 
zu dienen, der Lehre von der unbeschränkten Fürfteygewalt zu hin¬ 
dern, zu wehren, daß die Fürstengewalt selbst nicht eine unbedingte 
werde. 
Zum dritten war die Welt in einer Bewegung, die nicht Ge¬ 
winn des Raumes für Thätigkeit und für Herrschaft, nicht die Ord¬ 
nung und die Freiheir des Staates, sondern unmittelbar die Gestal¬ 
tung des Lebens selbst zum Endzweck hatte. Die Kunst war schon 
in den Jahrhunderten des Mittelalters in das Leben gedrungen 
und hatte es heiterer, schöner gemacht. Die Baukunst, die Ma¬ 
lerei standen eben auf einem Höhepuncte. Michael Angelo blühete 
ja im sechszehnten Jahrhundert und arbeitete unter dem Pabste 
Leo X. Aber an der achten Wissenschaft hatte es lange gefehlt, an 
der Freiheit des Geistes. Mit den albernsten Dingen beschäftigte 
sich in dem Mittelalter die große Masse der Gelehrten. Wenn sie 
etwas beweisen wollten, bewiesen sie es durcb falsche Schlüsse, durch 
tolle'Spitzfindigkeiten, durch geschichtliche Lügen. Die Gelehrten 
gehörten fast ausschließlich zur Kirche und vertheidigten sie. Sie 
konnten- das System der Kirche nicht anders beweisen als durch 
solche Weise. Wenn ihnen eine achte Gelehrsamkeit entgegentrat,
	        
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