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keln sich in den Zweigen; man hört die Schlangen zischen und den Jaguar brüllen
Tritt man endlich hinaus aus der Pracht des unheimlichen Urwaldes, so kommt man in
die Savannen, deren es viele in Amerika giebt. Es sind Ebenen, die, mit sehr hohem
Gras bewachsen, die Wälder unterbrechen und in denen Büffel, Rindvieh und Pferde her⸗
denweise anzutreffen sind. Es leben auch noch andere Thiere in den Savannen: Tapire,
Faulthiere, Lamas, wilde Hunde, Strauße. Die Vögel ziehen sich mehr in die Wälder,
nur der Geier hängt in unermeßlicher Höhe über der Savanne, seine Beute erspähend, und
stürzt sich dann plötzlich mit starken Krallen und scharsem Schnabel auf sein ausgewähltes
Opfer hernieder. Wenn das Gras der Savanne dürre ist, so wird es oft angezündet
besonders um die Thiere herauszutreiben.
In der Regenzeit werden die Grasebenen größtentheils überschwemmt, verwandeln
sich in Sümpfe und erzeugen bösartige Fieber. Termiten und Stechfliegen machen die
Wanderung durch die Savanne unbequem und beschwerlich.
Die Gebirge in Südamerika sind von wunderlicher, sonderbarer Form. Bald erhebt
sich ein Fels in Gestalt eines Menschenhaupts, bald wie eine Burg geflaltet, bald säulen-
artig. Diese Felsen sind theils Granit, theils Sandstein. Die Form unserer Hügel und
Bergketten ist mehr abgerundet, sanft in einander übergehend. Jene auffallenden Gestalten
der Berghäupter aber in blauer, nebeliger Ferne veranlassen bei den heidnischen Bewohnern
Sudamerikas eine Menge Fabeln und Sagen von bösen Geistern, welche sie durch Opfer
zu versöhnen suchen.
Sie glauben zwar auch an einen höchsten guten Geist, der die Welt geschaffen
habe; allein zu den bösen Geistern beten sie öfter, weil sie ihnen näher und feindlich
gesinnt wären.
Der Orinoco und der Amazonen-Strom haben eine Menge von Neben⸗
flüssen, welche den Verkehr im Lande erleichtern. Doch thun das bloß die bedeuten—
deren; wer auf kleinen Flüssen reist, hat manches Unbequeme; die Stromschnellen
und Wasserfälle unterbrechen nicht selten die Fahrt, und man muß seinen Kahn auf
Walzen so lange zu Land weiter schaffen, bis das Wasser wieder zu befahren ist. Ein
geführlicher Bewohner dieser Flüsse ist der Kaiman, das amerikanische Krokodil. Das
Thier ist 4 Meter lang, hat ein sehr zähes Leben und ist nur am Bauche und durch das
Auge verwundbar.
248. Südamerikanische Thiere.
1. Das Lama.
Das Lama ist als Zweihufer und Wiederkäuer für die südliche Neue
Welt, was das Kameel für die südliche Alte Welt, das Rennthier für die Polar—
länder ist.
Es findet sich noch im wilden Zustande in Südamerika vor und trägt da—
selbst den Namen Guanaco, ist aber in der Wildheit lichter und kürzer von Haaren,
als sein gezähmtes Ebenbild. Von der Südspitze Amerikas an der Magelhaens—
Straße bis zum nördlichen Peru auf der hohen Cordillerenkette, überall, wo in—
folge der Höhe derselben ein alpenähnliches Klima herrscht, wo der Menschen⸗
verkehr gering ist, ein ewig klarer Himmel sich wölbt und Wasserreichthum aus
den Bergen sprudelt, lebt dies Thier in seiner Wildheit außerordentlich zahlreich
in Rudeln bis zu 100 Stück.
Nachts schläft es gewöhnlich am Abhang hoher Berge, von wo es mit
Sonnenaufgang zu den Quellen und Flüssen herabsteigt, an deren grünen Ufern