628 VII. Ztr. Vom westphäl. Fried, bis jetzt. 1648 — 1829.
selben am 5. Juni 1823 Gesetzes Kraft. Wann eine Zusammen,
kunft der allgemeinen Reichsstände erforderlich seyn werde, und
wie sie aus den H)rovinzialständen gebildet werden solle, darüber
behielt sich der König die spatere Entscheidung vor. Diese Pro¬
vinzialstände sind nun in allen Theilen der Monarchie in Lhätig-
fett getreten. Sie berathen alle wichtigen Angelegenheiten ihrer
Provinz und legen dem Könige ihre Ansichten und Wünsche zur
weiteren Prüfung und Beschlußnahme vor. An ihre Anordnung
schließt sich die der kleineren Theile jeder Provinz, der Kreise,
der Städte und Gemeinden, und wenn so in allen Theilen des
Reiches der feste Grund der Einrichtungen in den kleinsten und
von da in immer größeren und weiteren Kreisen gelegt seyn
wird, so hat eine vertretende Verfassung den Boden gewonnen,
auf welchem sie sich naturgemäß im Laufe der Zeiten immer voll¬
kommener entwickeln kann.
Leichter war die Arbeit in den kleineren und einfacher zusam«
mengesetzten deutschen Staaten, welche zum Theil sehr bald den
13ten Artikel der Bundesakte zur Ausführung brachten-
Der erste war der G r o ß h e r z o g von Sachsen-Wei¬
mar, der schon im I. 1816 seinem Lande eine ständische Verfass
sung gab, welche im Jahr 1817 von dem gesammten deutschen
Bunde garantirt wurde.
Am 27sten Mai 1828, an seinem 62sten Geburtstage, be¬
schenkte der König Marimilian Joseph von Baiern sein
Volk mit einer Verfassungs - Urkunde, welche die wesentlichen
Grundlagen einer zeitgemäßen Staatseinrichtung enthält. Die
Reichsstände bestehen aus zwei Kammern, der Kammer der Reichs-
räthe und der gewählten Volksvertreter, deren Zahl sich auf 108
beläuft.
Auf Würtemberg, das Land, wo sich am frühesten ein
gutes Verhältniß der Volksvertretung gebildet und am längsten
erhalten hatte, richteten sich seit 1816 die Augen der Vaterlands¬
freunde. Dort, bei diesem kernigten, durch Gottesfurcht und
gründliche Unterrichtsanstalten wahrhaft gebildeten, deutschen
Volke, hofften sie eine tüchtige Verfassung in's Leben treten zu
sehen. Und diese Hoffnung ist nicht getäuscht worden. Trotz des
heftigen, oft beinahe unauflöslich scheinenden, Streites der Mei¬
nungen, hat das, immer mit neuer Liebe und Wärme aufge¬
nommene, Werk endlich doch seine Vollendung gefunden. Und
es hat sich an dem ganzen Streite recht erfreulich gezeigt, wie
wir auch in den schlimmsten Fällen an der deutschen Sinnes¬
art nicht verzweifeln dürfen, die endlich gewiß die rechte Mitte
findet, wenn sie nur, ungestört durch fremden Einfluß, ihre
Bahn verfolgen darf. — Nach mehreren mißglückten Versuchen
unter dem Könige Friedrich und seinem Nachfolger Wilhelm I>,
berief dieser endlich, im günstigen Augenblicke, im I. 1819 eine
neue Ständeversammlung, welche sich ausschließlich nur mit der
Derfassungsurkunde beschäftigen, sie Punkt für Punkt mit seinen