84 Aclt. Gesch. I. Zeitr. bis Klodwig. 486.
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Gut, und die römischen Sachwalter suchten statt der geraden und
einfachen deutschen Herkommen die feinen und verwirrenden Künste
des römischen Rechtsganges einzuführen. Wenn man aber einem
Volke einen heimlich fressenden, giftigen Wurm an die Seele setzen
will, der es von allen großen Gedanken, von der Liebe des Va¬
terlandes und der Mitbürger, in ein kleinliches eigensüchtiges
Treiben herabzieht, so muß man ihm die Liebe zu Rechtshändeln
und Streitigkeiten einflößen, damit es sich unter einander erbit¬
tere und ein jeder nichts Größeres wisse, als den eigenen Vortheis.
Und weil die gerichtlichen Verhandlungen alle in der römischen
Sprache geführt wurden, so sollten sie auch das Mittel seyn,
diese unter den Deutschen einzuführen. Denn um die Eigen-
thümlichkeit, die Freiheit und den selbstständigen Sinn eines Volkes
zu vernichten und es in eine fremde Gestalt zu gießen, muß man
ihm auch seine Sprache nehmen.
Darin aber hatte sich Varus sehr verrechnet, daß er glaubte,
die rohen Deutschen hätten kein Gefühl für solche Kunstgriffe. Der
Verstand der Naturvölker ist gar scharfsinnig gegen den, der sie
mit Netzen umgarnen will, und die Germanen waren von der
Natur mit gesundem Sinn und guter Einsicht ausgerüstet. Sehr scharf
sahen sie den Quell und Mittelpunkt des Verderbens, und vor
allen Dingen wurden sie mit innerm Grimme erfüllt bei dem An¬
blick der Ruthen und Beile des römischen Statthalters, welche
die Zeichen seines Rechtes waren, körperliche Strafen und selbst
den Tod zu verhängen. Nichts war den freien Deutschen enteh¬
render, als körperliche Züchtigung, die Schande der äußersten
Knechtschaft, und das Recht der Todesstrafen räumten sie nicht
einmahl ihren Fürsten, sondern nur der Gottheit ein, welche das
Urtheil durch den Mund der Priester aussprach.
Allein ihr Grimm durfte nicht laut werden und blieb lange in
der Brust der Einzelnen verborgen, weil keiner war, der mit küh¬
nem Geiste die glimmenden Funken zu einer großen Flamme ver¬
einigte. Da mußte Nom selbst den Retter deutscher Freiheit gro߬
ziehen. Es war Hermann, oder Armin, der Sohn des^Che-
rusker-Fürsten Segimer, ein Jüngling tapferen Armes und Her¬
zens , von klarein und schnellem Geiste, aus dessen Auge das Feuer
seiner Seele sprach. Er hatte durch ausgezeichneten Kriegsdienst
die Würde eines römischen Bürgers und Ritters erlangt und war,
wohlunterrichtet und geübt in allen Künsten des Krieges und Frie¬
dens, zu seinem Volke zurückgekehrt. Hier sah er die Schmach und
das Verderben, welches dem Vaterlande bereitet wurde; sein Geist
sann auf große Mittel. Er fand bald die gleiche Stimmung bei
den Edelsten der Cherusker und der benachbarten Völker; sein
flammendes Wort fachte ihren Muth noch mehr an; sie entwar¬
fen den großen Rettungs-Anschlag, und um die Römer desto
sicherer zu verderben, lockten sie den Varus durch absichtliche Em¬
pörung an den Gränzen, — so erzählen die römischen Schrift¬
steller,—immer weiter vom Rheine ab, in die Tiefen des großen