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erkaufen können. Wie bei dem goldenen Reichsapfel
die Weltkugel sinnvoll unter dem Kreuze, wie der Mond
unter der Sonne stehe, solle fortan der Staat unter
der Kirche und ihrem Oberhaupte stehen. Alle Rei¬
che der Welt feien Lehen deö Papstes, und kein Fürst,
Kaiser und König könne ohne seine Einwilligung ge¬
wählt werden! Damit hatte die Hierarchie ihren
Gipse! erreicht; allein nur Schade, daß die Kaiser
und Könige der Erde anderer Meinung waren, und
meistens behaupteten, der Papst sei nur Geistlicher,
nicht Weltbeherrscher; sei zwar Vorstand der christli¬
chen Gemeinde und Statthalter Christi <*uf Erden,
aber auch Christi'Reich sei nicht von dieser Welt
gewesen.
Gregor nah>n die Klagen der Sachsen wohlgefäl¬
lig auf, und that endlich Heinrich, der ihn abzusetzen ge¬
wagt, in den Bann. Sofort sollte nun niemand mit
ihm mehr Gemeinschaft haben, keiner ihm gehorchen.
Hatte nun Heinrich seiner Unterthanen Liebe besessen:
so würde er nicht demüthig nach Italien gepilgert sein,
und mrt dreitägiger Buße im Schloßhof von Canossa,
wo sich Gregor eben aufhielc, die Lossprechung vom
Banne hoben erbetteln dürfen. Diese wurde ihm zwar
endlich zu Theil, aber noch sollte er nicht vor des
Papstes eigner Untersuchung der Sache, wieder regieren.
Das schien zu arg. Heinrich eilte nach Deutschland,
fand Anhang und erschlug den Gegenkönia, söhnte sich
mit manchem andern Gegner aus, und würde ohne den
Papst aufs Reine gekommen sein, wenn nicht sein eig¬
ner Sohn sich gegen ihn empört, den Vater endlich
gefangen genommen, und zur Entsagung der Krone
gezwungen hatte. Der furchtbare Bann ließ selbst im
Tode nicht von ihm ab; denn 5 Jahre blieb die kai¬
serliche Leiche zu Speier unbeerdigt, bis endlich der
Bann aufgehoben, und ihr Ruhe in geweihter Erde
wurde, (im.)
Durch solche glückliche Experimente konnte freilich
die päpstliche Macht nur gewinnen. Dazu trugen fer¬
ner noch die Sammlungen der CanoneS, der päpstli¬
chen Edikte (Decretalen, wahre und untergeschobene),
tim zahlreichen Mönche, die Reichchümec und das