Frankreich unter den Bourbons bis zur Revolution. 413
Während Fleury's Eifersucht Männer von Kopf und
Talent von dem Ruder des Staats entfernt hielt, weckten ausge¬
zeichnete Schriftsteller den schlummernden Nationalgeist und berei¬
teten in den Gemüthern jene große Umwälzung vor, welche zuerst
Frankreich und dann ganz Europa erschüttern sollte. Voltaire
(t 1778) stellte sich als Trauerspieldichter einem Corneille
und Racine an die Seite, bestürmte aber auch mit Keckheit, was
man bisher für heilig und unantastbar gehalten; Büffon
(st 1788) schloß als Naturforscher eineneueIdeenweltauf;M ab ly
(st 1785) verglich mit Scharfsinn die Zeiten der Römer und
Griechen mit der (einigen, und stellte die damals unerhörte Be¬
hauptung auf „die Könige seyen um der Völker willen da, und
nicht die Völker um der Könige willen;" Rousseau (st 1778)
bewirkte eine neue Erziehungsweise und seine Untersuchungen über
„Menschenrechte" riesen kühne Schlüsse und Folgerungen hervor;
Montesquieu (st 1755) ward durch seinen „Geist der Ge¬
setze" der Anwalt aller Völker; die Encyklopadisten, ein
Verein der besten Köpfe, machten das Gesammtgcbiet der Wis¬
senschaften, sonderlich Politik und Philosophie, durch eine anziehen¬
de Schreibart volksthümlich und strömten ein Lichtmeer von neuen
Ideen aus; Diderot stand an ihrer Spitze und Condillac,
M e r c i e r, M a b l y, R a y n a l, H e l v e t i u s, d'Al e m b e r t,
Büffon waren seine würdigenGehülfen. Die Oeconomisien
oder Physiokraten endlich, von dem königlichen Leibärzte Franz
Quesnoi ins Daseyn gerufen, welcher aufseinen Geschäftsreisen
Frankreichs vernachlässigten Ackerbau wahrgenommen hatte, erwar¬
teten das Wohl des Staates einzig und allein von dem Gewinn
und Vertriebe der rohen Naturerzeugnifse. Der altere Mira¬
beau, du Pont, Baudeau, le Trosne, de la Riviere,
waren eifrige Verfechter dieses Systems. Durch diese ringsum
erwachende Geistesthatigkcit wurden die Gebrechen der Regierung
hell beleuchtet und konnten in einer neuen Zeit nicht ferner be¬
stehen.
Unpolitisch nahm Frankreich an dem östreichischen Erb-
folgekriege Theil (s. §. 65.), aus welchem es rühmlos und iiui
mit einer vermehrten Zerrüttung seiner Finanzen davon ging. 1743
Nichts desto weniger knüpfte das Cabinett von Versailles, durch
die Gewandheit des östreichischen Ministers, Graf Kaunitz und
Frau von Pompadour, Ludwigs XV. Maitreffe, welche sich
durch Friedrichs II. Spöttereien persönlich beleidigt fühlte, ein
neues Bündniß mit Maria Theresia zum Untergange des gedach¬
ten Monarchen. Der siebeniahrige Krieg (s. §. 6G.) kostete 1750
Frankreich 677 Millionen Livres und seinen frühem Kriegsruhm;
siebenmal hatte man die Oberbefehlshaber in sechs Feldzügen ge¬
wechselt, ohne einen tauglichen gefunden zu haben. Der Pari-