Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 9)

§ 16. Preußen unter Friedrich Wilhelm I. (1713—1740). 91 
die Friedensschlüsse von Utrecht (f. ©.87) und namentlich von Stockholm 
(f. S. 74) es bewiesen. Aber seiner derben, strengen und aufrichtigen Natur 
gelang es nicht, sich durch das Jntriguenspiel der Diplomatie jener Zeiten, 
die sich durch besondere Gewissenlosigkeit auszeichnete, hindurchzufinden. 
So ließ er sich bald von dieser, bald von jener Partei umgarnen und sah 
sich schließlich von allen Seiten hintergangen. Die Stärke und Bedeutung 
der preußische» AnRee hätte ihm wohl eine andere Stelluug verschaffen 
sollen; aber eben das ©esühl, keiner Macht mehr trauen zu können, hielt 
ihn von militärischen Unternehmungen ab. 
Sein Hauptziel war es, feinem Hause die Nachfolge in Jülich-Berg .ÜIlw®k iWe 
zu sichern, wo das Aussterben der Linie Psalz-Neuburg zu erwarten stand; iutgrage.0t 
denn die Hohenzollern hatten bei dem Vergleiche vom Jahre 1666 (f. S. 39) 
ihre Ansprüche aus die gesamte klevische Erbschaft nicht ausgegeben. Der 
Kaiser, schon längst eifersüchtig auf die wachsende Macht des jungen König- 
reichs Preußen, begünstigte zwar die Ansprüche des katholischen Hauses 
Pfalz-Sulzbach, versprach jedoch in treuloser Weise gleichzeitig dem 
Könige, den er im Hinblick auf die Sicherung der Pragmatischen Sanktion 
nicht zum Feinde haben wollte, ihn bei der Erwerbung der Hälfte des 
erstrebten Befitzes zu unterstützen. Beim Abschluß des Wiener Friedens 
erkannte Friedrich Wilhelm, daß er getäuscht war, und für den Rest seines 
Lebens erfüllte tiefste Erbitterung gegen das Haus Habsburg sein Herz, 
eine Empfindung, die et auf feinen Thronerben übertrug. 
2. Friedrich Wilhelm I. als Regent. Die Hauptverdienste dieses 
Fürsten liegen auf dem Gebiete der Staatsverwaltung, für die er einen 
bewunderungswürdig praktischen Blick besaß und der er alle feine Tatkraft 
weihte. Das Ziel, das ihm vorschwebte, war die Steigerung aller 
Machtmittel des Staates, um dessen Stellung zu festigen und seinem 
Nachfolger die Grundlagen zu einer durchaus selbständigen Politik 
zu verschaffen. 
a. Durchführung der Staatseinheit. Offenbar in Anlehnung an die Verwaltung und 
straffe Zentralisation der französischen Staatsverwaltung vereinigte Friedrich Regierung. 
Wilhelm I. die in den ersten Jahren seiner Regierung getrennten drei „Departe- 
ments der publique» und Staatsaffären, der Finanzen und der Justiz" zu 
dem General-Ober-Finanz-Kriegs- und Domänendirektorium, kurz 
„Generaldirektorium" genannt, das in fünf „Departements" zerfiel und dessen 
Dienstordnung er selbst entworfen hatte. Die oberste Leitung des Ganzen 
nahm der König selbst in die Hand; innerhalb der Departements, die 
mehrere Provinzen oder Landschaften zusammenfaßten, gab es eine Anzahl von 
Abteilungsministern (Provinzialministern). Das gesamte Rechnungswesen 
des Staates wurde jährlich von der „Oberrechenkammer" geprüft. Die 
Kriegs- und Domänenkammern bildeten die Regierungsbehörden der ein- 
zelnen Provinzen; unter ihnen standen die Stencrkommiffare und Magi- 
strate für die Städte und die L and rät e für das platte Land. Jeglicher 
Einfluß der „Stände" wurde jetzt erst vollständig beseitigt. In der Justiz
	        
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