Full text: Geschichte der Griechen und Römer (Cursus 2)

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war, daß die beiden Parteien in Bezug auf den Krieg selbst ver¬ 
schiedener Ansicht waren; Nikias und seine Freunde, stets zu 
Sparta sich hinneigend, wünschten den Frieden, Kleon an der 
Spitze der Volkspartei eine kräftige Fortsetzung des einmal be¬ 
gonnenen Kampfes. Durch diesen Umstand, auf Seite der Spar¬ 
taner aber durch deren gewohnte Langsamkeit und Unbeholsen- 
heit, erklärt sich das verderbliche Schwanken und der Mangel an 
Uebereinstimmung bei den vereinzelten Unternehmungen, welche 
die erste Periode dieses Krieges auszeichnen. 
6) Uebrigens wurde der Kampf auf den einzelnen Punkten 
mit steigender Erbitterung und beiderseits oft mit barbarischer 
Grausamkeit fortgesetzt. Doch hat eine edlere Bildung die Athener 
selbst vor Unmenschlichkeiten bewahrt, zu denen die Parteiwuth 
in dem unseligen Bürgerkrieg oft die Uebrigen fortrißU) Zur 
See hatten die Athener meist die Oberhand. Demosthenes, 
ein kriegserfahrener Führer der Athener, setzte sich in Pylos an 
der messenischen Küste fest2), um von hier die Messenier gegen 
pH an es, dem Kleon auch aus persönlichen Motiven feind, ein vollen¬ 
detes Caricaturbild „des nach Lohe riechenden (ßupao5£<V»]i) Gerbers und 
Schreiers" entwirft. Um gerecht zu fein und historisch wahr zu sehen, 
muß man wohl beachten, daß hier die Partei die Färbung gicbt. Es ist 
wie wenn man die Geschichte unserer Tage nach den Caricaturblättern, die 
bei uns gewissermaßen die Stelle der alten attischen Komödie vertreten, 
ausfasscn und darstellen wollte. Selbst Thukydides, wohl der größte 
und herrlichste aller Historiker, ist in diesem Punkte Partei. Hier zur Wür¬ 
digung beider Parteien das richtige Maaß gezeigt, und dadurch das Ver- 
ständniß der wirklichen Geschichte von Hellas in dieser Periode eröffnet 
zu haben, ist ein Hauptverdienst des großen Werkes von Grote. 
U Die Athener hatten beschlossen, daß in dem abgefallenen, aber durch Paches 
wieder bezwungenen Mitylene auf Lesbos alle waffenfähigen Männer 
getödtct, die Weiber unDKindess aber verkauft werden sollten, weil sie die 
Spartaner herbeigerufen und um die übrigen Inseln durch solch ein Erem- 
pel äußerster Strenge zu schrecken. Doch bald erwachte bei den athenischen 
Bürgern wieder das menschliche Gefühl; nachdem sie, wie erzählt wird, 
eine schlaflose Nacht hingebracht, versammelten sich sich am folgenden Mor¬ 
gen schon vor Sonnenaufgang, um den schrecklichen Beschluß zu widerrufen. 
Es wurde nun beschlossen, daß nur die Urheber des Abfalls (freilich war 
deren noch eine große Zahl) hingerichtet werden sollten. Es geschah dies 
427. — In demselben Jahre fiel Platäa nach einer dreijährigen, höchst 
denkwürdigen Belagerung, und nachdcrkr^M Theil der tapfcrn Vertheidiger 
zur Nachtzeit über die feindlichen Berschanzungen nach Athen entkommen 
war, in die Hände der Spartaner, welche die in der Stadt zurückgebliebe¬ 
nen 200 Platäcr und 25 Athener hinrichten ließen auf Anstiftcn der The- 
baner. Die Stadt selbst wurde gänzlich zerstört. Auf Korkvra wüthete 
das Bolk nach Barbaren Weise gegen die Aristokraten 42g. Aehnliche 
Gräuelkämpfe fielen an verschiedenen Punkten Griechenlands vor, und sind 
ein trauriger Beleg dafür, daß Bürger- wie Religionskriege am heftigsten 
die thieriAen Leidenschaften der Menschen entflammen. 
2) Es geschah dies während der ersten Expedition, welche die Athener nach 
Sicilien unternommen hatten, um dort einige Städte zu unterstützen, die 
sich gegen das dorische Syrakus erhoben hatten. Demosthenes bc-
	        
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