Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

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durch ausgesandte Leute Fulbert's aufs Gröbste gemißhandelt und ver¬ 
stümmelt, so daß er Hcloisen den Rath gab, weil er weder ste, noch sich 
ferner schützen könne, den Schleier zu nehmen. Er selbst ging auch in's 
Kloster zu St. Denys in Paris, wurde aber auch hier von seinen Schülern 
aufgesucht, und seine Zelle konnte die Zahl nicht fassen, die zu ihm strömte. 
Dadurch erweckte er den Neid der übrigen Lehrer. Weil er die Vernunft 
bei seinen Untersuchungen über Neligionssachen frei gebrauchte, wurde er 
der Ketzerei angeklagt. Darauf verließ er, um allen Verfolgungen zu ent¬ 
gehen, das Kloster, baute sich in den dunkelen Wäldern der Champagne an 
den Ufern der Seine eine Schilfhütte tind führte daselbst ein Einsiedler¬ 
leben. Auch dahin kamen seine Schüler, bauten sich rings herum Hütten, 
um bei ihm zu wohnen, und endlich ein großes Kloster, das Abälard den 
Pa räklet, d. h. Tröster, nannte. Als darauf die Mönche von St. Gil- 
deß ihn zum Abte wählten, schenkte er das Kloster dem Nonnenkloster, in 
welchem seine Heloise lebte. Eine Anzahl Nonnen wurde nun hierher ver¬ 
setzt, denen Heloise als Aebtissin vorstand; Abälard selbst weihte sie zu dieser 
Würde ein. Allein jetzt trat Bernhard gegen die Lehre Abalard's auf und 
dieser wurde (wegen seiner Lehre) vom Papste und von einer Kirchenver¬ 
sammlung verdammt. Der Abt von Clugny versöhnte ihn endlich mit 
Bernhard und auch die päpstliche Absolution erfolgte, so daß Abälard in, 
I. 1 14 2, schwächer am Leibe als am Geiste, in Frieden seine Tage schloß. 
Seinem Wunsche gemäß wurde er im Paraklet begraben; dort ruht auch 
Heloise, die noch 2 t Jahre nach ihm, von Allen geliebt und verehrt, den 
Wissenschaften, der Kirche und dem Andenken an ihren edlen Freund lebte. 
Welcher seltene Mann Abälard gewesen ist, bezeugt unter Anderem 
die Stelle eines noch vorhandenen lateinischen Briefes seiner Heloise, in 
welchem sie an ihn schrieb: 
„Zwei Dinge, ich gestehe es, besaßest Du vorzüglich, wodurch Du 
aller Frauen Herzen sogleich gewinnen konntest, die Anmuth Deines Ge¬ 
spräches und Deines Gesanges, Dinge, welche andere Philosophen bekannt¬ 
lich nicht erreicht haben. Indem Du mit ihnen wie zum Spiele Dich von 
der Arbeit der philosophischen Uebungen erholtest, hast Du diese meistens 
in erotischem Metrum und Rhythmus verfertigte Gedichte hinterlassen, 
weiche wegen der überschwenglichen Süßigkeit in Sprache und Melodie 
häufig nachgesungen wurden und Deinen Namen in Aller Mund unauf¬ 
hörlich erhielten, so daß auch die Ungebildeten wegen Deiner Melodien 
Süßigkeit Dich niemals vergessen konnten." 
Der Same, den dieser große Lehrer streute, konnte nicht Früchte tra¬ 
gen, denn die Päpste erfanden in der Inquisition ein neues Mittel, den 
neuerwachten Freiheitssinn zu unterdrücken. Neben der Scholastik beschäf¬ 
tigte man sich hauptsächlich mit der Bearbeitung der päpstlichen Rechte 
nach den pseudoisidorischen Grundsätzen. Dadurch entwickelte sich ein ganz 
neues Kirchenrecht. Man nannte diejenigen, die sich mit jener Wissenschaft
	        
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