Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

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freisinnigen Mann hinrichten, ja sogar seine Mutter Agrippina, die, so 
schlecht sie war, doch alle ihre Liebe nur ihm gewidmet hatte. Auch seine 
Gemahlin Octavia ließ er todten, um sich mit der Poppäa Sabina, 
der Gemahlin seines Zechbruders Otho, zu vermählen, — eine lasterhafte 
Frau, die selbst bald darauf unter den Fußtritten Nero's sterben mußte. 
Solche Schandthaten peinigten sein Gewissen, und um dieses zu betäuben, 
beging er immer neue Thorheiten und Verbrechen. Um sich das Schauspiel 
der brennenden Stadt Troja zu vergegenwärtigen, und zugleich statt der 
schlecht gebauten Stadt eine neue, schönere bauen zu können, ließ er Rom 
anzünden. Der Brand wüthete neun Tage lang. Als das.Volk gegen 
den Urheber in laute Empörung ausbrach, suchte er es dadurch zu beschwich¬ 
tigen, daß er die in Nom befindlichen Juden und Christen für die Brand¬ 
stifter ausgab, sie der Wuth des Pöbels preisgab und mit schrecklichen Mar¬ 
tern verfolgte. Calpurnius Piso verschwor sich damals mit anderen 
Senatoren gegen ihn, allein die Verschwörung wurde entdeckt, mehre Hin¬ 
richtungen erfolgten, selbst Sen ec a wurde der Theilnahme an der Ver¬ 
schwörung beschuldigt und zum Tode verurtheilt. In alle Laster, Ver¬ 
brechen und Thorheiten versunken, fing er nun auch an, sich als einen 
vollendeten Künstler zu betrachten; er reiste nach Griechenland, sang als 
Cither- und Schauspieler auf den Theatern und errang in den olympischen 
Spielen einen Sieg auf der Rennbahn. Seine Verschwendung erreichte 
durch die öffentlichen Feste, die er gab, und durch den großen Bau eines 
prächtigen Palastes, der einen ganzen Stadttheil einnahm, den höchsten 
Grad. Weil es ihm immer an Gelde fehlte, bemächtigte er sich aller 
Schätze und aller Cassen in den griechischen Städten und Tempeln und ver- 
urtheilte viele seiner Begleiter zum Tode, um Erbe ihrer Reichthümer zu 
werden. Aus jener Ursache mußten auch die Statthalter die Provinzen mit 
unerhörten Auflagen pressen. In dieser Beziehung beging namentlich der 
Statthalter Paullinus in einer unterworfenen britischen Völkerschaft ent¬ 
setzliche Gräuel. Die Erpressungen und Bedrückungen riefen die Völker¬ 
schaft zur Schilderhebung; an ihre Spitze stellte sich die Gattin ihres ver¬ 
storbenen Königs, Boadicea, doch konnte sie den Römern nicht wider¬ 
stehen. In einer Schlacht wurde sie geschlagen; nur mit Mühe entrann 
sie dem Feinde, der sie verfolgte. Sie gelangte in einem heiligen Haine 
an, hier sprang sie von dem Streitwagen, eilte zu dem nächsten Altare, 
sank bis zum Tode müde an den Stufen nieder und stieß sich einen Dolch 
in die Brust, indem sie die Götter um Rache anflehte. Noch gewissenloser 
als Paullinus betrieb Gessius Florus, Statthalter von Judäa, die Er¬ 
pressungen, so daß die Juden einen furchtbaren Aufstand erhoben und alle 
Römer aus dem Lande jagten. Vespasianus und sein Sohn Titus 
zogen darauf mit einem Heere von sechzigtausend Mann nach Judäa, und nun 
begann der Vernichtungskrieg gegen die Juden, von welchem weiter unten 
die Rede sein wird. Zu gleicher Zeit empörten sich auch die Legionen in
	        
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