fullscreen: Die Neuzeit (Theil 3)

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aber im Volk selbst wenig Verbreitung. Vertheidiger des alten 
Glaubens waren La netter (Schöpfer der Physiognomik), der sinnige 
Jung, genannt Stilling, Claudius, der „Wandsbecker Bote," 
der schwärmerische Hamann, der „Magus aus Norden" u. a. Durch 
bett genialen Polyhistor Leibnitz gest. 1716 war in der Philosophie 
die ideale Weltanschauung maßgebend geworden, welche dem Ein¬ 
dringen materialistischer Ansichten wirksam entgegentrat. Von Chri¬ 
stian Wolf wurde die leibnitzische Lehre weiter fortgebildet und auch 
dem großen Publicum zugänglich gemacht, weil dieser Philosoph seine 
Schriften deutsch verfasste. Er folgte hierin dem Beispiele des 
höllischen Professors Thomasins, der zuerst seine Vorlesungen in 
deutscher Sprache hielt und auch die erste deutsche Zeitschrift heraus¬ 
gab. Thomasius Auftreten gegen den Unsinn der Hexenprozesse ist 
ein weiteres^Verdienst dieses bedeutenden Mannes. Die ganze Tiefe 
seines Denkens offenbarte aber der neuerwachte nationale Geist am 
Ende des 18. Jahrhunderts, als Kant in Königsberg gest. 1804 eine 
Philosophie schuf, die mit ihrem sittlichen Ernst alle Wissenschaften 
durchdrang. Auch auf dem Gebiete ber Pädagogik kam durch 
Basedow, der sich von Rousseau anregen ließ (Philantropinum in 
Dessau) eine ttene Lehrmethode auf. Auf diese fussend machte der 
Schweizer Pestalozzi, beut besonders das Volksschnlwesen Großes 
verdankt, bie Anschauung zum Grunbsatze alles Unterrichtes. 
3. Am herrlichsten entfaltete sich in bieser Epoche bas betttsche 
Culturleben ans betn Gebiete ber schönen Literatur. Nach bett 
Vorläufern Haller, Hageborn unb Gellert begann mit Klopstock 
und Lessittg bie Blüthezeit nationaler Dichtung. Während 
jener bas religiöse Gefühl hob unb bas Deutschthum feierte, be¬ 
kämpfte bieser den französischen Geschmack unb ergründete das Wesen 
der Dichtktutst wie das der bildenden Kirnst. An Stelle französischer 
Muster, denen noch Wieland in seinen gefälligen Dichtungen nach¬ 
eiferte, traten Shakspeare ttitd Homer (Ueber setz er Voß), die in ihrer 
Bedeutung erst jetzt von den Deutschen ersannt wurden. Auf die 
Schönheiten der Naturdichtungen, besonders der morgenlättdischen, 
wies der geistreiche Herder gest. 1803 hin. Gleichzeitig entstand 
der göttinger Dichterbund, in welchem begeisterte Jünglinge für 
Religion und Vaterland schwärmten. Matt forderte die Rückkehr zum 
Natürlichen und schüttelte in kraftgenialer Weise den Zwang ver¬ 
alteter Kuustregeln ab. Nach dem Sturm unb Drang ber siebenziger
	        
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