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waren. Von jenen nennen wir hier vornehmlich L. Anna'us Seneca,
den Sohn eines Lehrers der Beredsamkeit, aus Corduba in Spanien ge¬
bürtig. Er kam mit seinem Vater als Kind nach Rom, ungefähr 15 Jahre
vor dem Tode des Augustus. Frühzeitig legte er sich auf die Philosophie;
frühzeitig wandte er auch die Wissenschaft auf sein Leben an, enthielt sich
aller Weichlichkeit und lebte äußerst mäßig. Dennoch kam er schon unter
Kaiser Caligula, vor dessen wahnwitziger Grausamkeit keines rechtlichen
Mannes Leben sicher war, in die Gefahr, hingerichtet zu werden; nur die
Fürbitten einer Freundin des Kaisers konnten ihn retten. Kaiser Claudius
aber verbannte ihn als einen gefährlichen Menschen auf die Insel Corsica,
wo er seine schönen Briefe über den Trost im Leiden an seine Mutter
Helvia schrieb. An seiner Verbannung war die schändliche Messalina schuld,
aber die vierte Gemahlin des Kaisers, Agrippina, bewirkte seine Zurück¬
berufung. Jetzt erhielt er, wie Alle, die von der Messalina verfolgt wor¬
den waren, hohe Ehrenämter, ja er wurde zum Erzieher des jungen Nero
ernannt. Als solcher ist vielleicht der Philosoph mit zu viel Nachsicht zu
Werke gegangen, oder der Zögling wußte durch sein heuchlerisches Wesen
den Lehrer zu bestechen und zu täuschen, denn die rühmliche Regierung
Nero's dauerte, wie wir schon andeuteten, nur sehr kurze Zeit. Sobald Seneca
merkte, daß Nero plötzlich ein Anderer wurde, zog er sich allmälig vom
Hofe zurück und lebte mit seiner eben so liebenswürdigen als tugendhaften
Gemahlin Pompeja Paullina in stiller Abgeschiedenheit. Nero aber,
dem dieser stillschweigende Zuschauer seiner Handlungen höchst zuwider war,
suchte nach einer Gelegenheit, ihn aus dem Wege zu räumen. Sie fand
sich, als die Verschwörung des Piso entdeckt wurde. Einer der eingezo¬
genen Theilnehmer war so niederträchtig, den Seneca als Mitwisser zu be¬
schuldigen. So unzuverlässig auch die Angaben waren, dennoch ließ der
Kaiser seinem ehemaligen Lehrer, der nun ein ehrwürdiger Greis geworden
war, ankündigen, sich selbst eine Todesart zu wählen. Seneca hörte diesen
Ausspruch mit der Ruhe eines Weisen an, ja er tröstete selbst seine Freunde
und seine zärtlich geliebte Gattin, welche erklärte, daß sie mit ihm sterben
wolle. Neuere Schriftsteller werfen ihm bitter vor, daß er dieses Aner¬
bieten angenommen habe, man muß ihn jedoch hier nach seiner philoso¬
phischen Denkweise beurtheilen; indem er sah, daß zu seiner Zeit jede Tu¬
gend gewaltsam niedergetreten wurde, wird man ihn noch entschuldigen,
daß er seine Gattin nicht hinderte, mit ihm zu sterben. Beide ließen sich
die Adern öffnen; als aber Seneca sah, daß Paullina mehr über seine
Leiden als über die eigenen duldete, bat er, sie in ein anderes Gemach zu
bringen. Er beschleunigte dann seinen Tod durch ein heißes Bad, in wel¬
chem er vom Dampfe erstickte. Seine Gattin wurde zwar auf Befehl des
Kaisers am Leben erhalten, sie siechte aber dahin und starb kurze Zeit
nachher.
Seine Schriften sind voller Lebensweisheit, besonders für Menschen,
Weltgeschichte. H.. 3