70
H. 15. Theodosius; Theilung des römischen Reiches in das abend-
und morgenländische, oder lateinische und griechische. 395.
Während Theodosius durch deutsche Krieger die römischen Heere ver¬
stärkte, das Heidenthum gänzlich stürzte und den Sieg des Christenthums
über jenes befestigte, half auch die christliche Religion der gesunkenen Sitt¬
lichkeit auf. Die Gothen, Vandalen, Burgunder traten zum Christenthume
über. Die Bischöfe überwachten, gleich den Hohenpriestern und Propheten
der Hebräer, die Gemeinde, und beschützten sie mit kühnem Muthe sogar
gegen die Kaiser, wenn diese sich Grausamkeit und Bedrückung erlaubten.
In der griechischen Stadt Thessalonich war wegen der Gefangennehmung
eines beim Volke beliebten Wagenlenkers ein Aufstand ausgebrochen, wobei
mehre Beamte nebst dem Statthalter um's Leben kamen. Theodosius
stellte sich, als wolle er die Frevel verzeihen, ließ aber das Volk zu einem
großen Schauspiele laden und es dort von eindringenden Soldaten ohne
Unterschied des Alters und Geschlechtes ermorden. Als dieses der Bischof
von Mailand, Ambrosius (— die fromme Nachwelt nannte ihn den
Heiligen —) hörte, erfaßte ihn gerechter Unwille; er hatte den Muth, dem
Kaiser also zu schreiben: „Ich habe die Unthat vernommen, welche von
einem christlichen Kaiser verübt worden ist. Weil ich aber höre, daß Du
zu uns kommen willst, so melde ich Dir, daß es Dir nicht einfallen
möge, dem heiligen Meßopfer der Gemeinde beizuwohnen. Wenn ich es
für Sünde halten müßte, in Gegenwart des Mörders eines einzigen Un¬
schuldigen die heiligen Mysterien zu feiern, wie könnte ich es in Gegenwart
eines Fürsten, der von einer Schlachtbank herkommt, auf der so viel un¬
schuldiges Blut vergossen ward? Um Theil zu nehmen am Leibe Jesu
Christi, warte, bis Du in einer solchen Verfassung bist, daß Deine Hostie
Gott angenehm ist. Bis dahin begnüge Dich mit dem Opfer Deiner
Thränen und Gebete."
Theodosius erkannte sein Unrecht und begab sich nach Mailand, um
bei dem frommen Bischöfe Buße zu thun. Als er sich aber mit seinem
Gefolge der Domkirche näherte, trat ihm Ambrosius im bischöflichen Schmucke
und von der Clerisei begleitet an der Thüre entgegen und verwehrte ihm
den Eingang mit den Worten: „Dein Zorn hat sich wohl gelegt, aber
Deine Macht und Dein Stolz als Kaiser verdunkelt noch Deine Vernunft,
darum mußt Du erst durch Fasten und Beten Dein Gemüth und Deine
Seele reinigen, ehe Du dieses heilige Haus betrittst." Der Kaiser fügte
sich und trat zurück; erst nach acht Monaten erhielt er die Erlaubniß, seine
Schuld öffentlich in der Kirche zu bekennen und am Mahle des Herrn
Theil zu nehmen. Milder, doch nicht minder wirksam verfuhr bei einer
ähnlichen Gelegenheit der Bischof von Antiochia, Flavianus. Auch diese
Stadt hatte sich drückender Auflagen wegen empört, den Kaiser öffentlich
geschmäht und die Bildsäule der Kaiserin umgestürzt. Als aber die Rebellen