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Herz, reizten seine Leidenschaften, gewöhnten ihn von Jugend auf an Ver-
bannungen und Einkerkerungen, freuten sich, wenn er in seinen Kinder¬
spielen und Vergnügungen eine gewisse Grausamkeit kund gab, wenn er
ihre Nebenbuhler enthaupten ließ. Kaum hatte er aber selbstständig die
Zügel der Negierung ergriffen (1547), als plötzlich eine gänzliche Um¬
wandlung in ihm vorging. Seine Hauptstadt Moskau wurde durch eine
Feuersbrunst in Asche gelegt, wobei noch eine fürchterliche Empörung des Pö¬
bels auf der Brandstätte ausbrach. In diesem Aufruhre trat der Nowgo-
rod'sche Priester Sylvester zu ihm heran und erschütterte mit eindringlichen
Worten seine Seele. Iwan, von Natur mit einem gesunden Verstände
und scharfer Urtheilskraft begabt, erwog die ganze Größe des Unheiles, in
welches ihn unwürdige Günstlinge gestürzt hatten, und beschloß sofort ein
anderer Mensch, ein Vater seines Volkes zu werden. Der Priester Syl¬
vester ward jetzt die Seele seiner Regierung, der Urheber seiner heilsamen
Entwürfe; jene unwürdigen Großen verloren ihren Einstuß, edle Männer,
für die Wohlfahrt des Vaterlandes, wie für die Hoheit und Würde des
Thrones besorgt, umgaben ihn, und ihr Streben für den Fürsten und das
Volk wurde durch Jwan's Gemahlin, Anastasia, Tochter des Fürsten
Romanow trefflich unterstützt, indem sie durch Sanftmuth, Liebenswür¬
digkeit und Klugheit des Gatten wilde Gemüthsart mäßigte und seine rohe
Kraft auf kriegerische Unternehmungen gegen auswärtige Feinde hinlenkte.
Sein guter, natürlicher Verstand brachte ihn bald auf den besten Weg,
ein tüchtiger Herrscher, ein weiser Gesetzgeber und ein Held auf dem
Schlachtfelde zu werden. Zunächst wandte er seine Aufmerksamkeit auf die
Befreiung des Staates von Unordnung und Verwirrung. Zu diesem
Zwecke ließ er die früheren Gesetze, besonders die, welche Iwan III.
erlassen hatte, sammeln, verbessern und ergänzen, verlieh er den Städten
und Dörfern das Recht, aus ihrer Mitte Starosten und Geschworene zu
wählen, um Recht und Gerechtigkeit zu üben, sorgte er für die Bildung
der Unterthanen durch die Anlegung von Volksschulen, und zog deutsche
Künstler, Handwerker, Aerzte und Gelehrte an sich. Auch Engländer
nahm er gern auf, die im I. 1553 in das weiße Meer kamen, indem sie
im Norden einen Weg nach China und Indien aufsuchten. In diese Zeit
fällt auch die Gründung der ersten Buchdruckerei in Moskau. Nach Außen
hin richtete sich Jwan's Thätigkeit besonders dahin, Rußland durch die
Unterwerfung der Tataren von den bisherigen Angriffen derselben zu befreien
und die Grenzen des Reiches bis zum Ural, dem caspischen Meere, dem
Kaukasus und schwarzen Meere zu erweitern. Es gelang ihm wirklich,
Kasan zu erobern (1552) und im Besitze dieser Provinz durch die Ein¬
führung des Christenthumes, wie durch die Unterdrückung des Islam sich zu
befestigen. Kurz darauf (155-1) unterwarf er sich auch Astrachan und das
ganze Gebiet an der Wolga. Zur Fortbildung des Volkes und der In¬
dustrie hielt er es aber für unbedingt nothwendig, mit dem übrigen Europa