Full text: Neuere Geschichte (Theil 3)

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in eine nähere Verbindung zu kommen; um diese herzustellen, beschloß er 
Lifland zu erobern. Dieser Krieg verwickelte ihn in einen anderen mit 
Schweden und Polen. Zur Ausführung dieser Kämpfe und zur Sicher¬ 
stellung seiner Eroberungen war es ihm von Vortheil, daß er bereits eine 
ohngefähr 12000 Mann starke Armee eingerichtet hatte. Sie war mit 
Feuergewehren bewaffnet, erhielt regelmäßigen Sold und bildete den Grund 
zu einem stehenden Heere. Diese Armee erhielt den Namen Strelitzen, 
d. i. Schützen, ward mit großen Vorrechten ausgestattet und erhob sich bald 
über alle Bojaren des Reiches. Aber jetzt war Iwan plötzlich wieder ein 
ganz anderer Mensch geworden; nach dem Tode seiner edlen Gattin (1560) 
war er wieder in die alte Wildheit und Grausamkeit zurückgefallen, die 
sich immer mehr steigerte, weil ihn der Argwohn quälte, daß nur Verrä- 
ther und Aufrührer in seiner Nähe weilten. Jetzt verbreitete er, von 
Ohrenbläsern und unwürdigen Menschen umgeben, Schrecken in seinem 
Lande, ja er tödtete sogar seinen ältesten Sohn mit eigener Hand. Der 
erfahrensten Feldherren beraubt, mußte er nun zusehen, daß der Tataren 
Chan in der Krim Moskau in Asche legte und der damalige Polenkönig 
und Großfürst von Litthauen, Stephan Bathory, eroberte nicht nur 
Polotzk, sondern rückte auch unaufhaltsam im Reiche vor. Da wendete 
sich Iwan an den Papst Gregor XIII., dem er für die Vermittelung 
eines Friedens mit Bathory versprach, die Türken mit Krieg zu über¬ 
ziehen. Der Papst, der zugleich hoffte, daß der Czar mit seinem Volke 
zur römischen Kirche übertreten würde, sandte darauf den Jesuiten Anton 
Possevin, der den Frieden zwischen Rußland und Polen vermittelte, kraft 
besten Iwan seinen Ansprüchen auf Lifland entsagte, dieses als eine pol¬ 
nische Provinz anerkannte und Esthland mit einigen russischen Städten und 
Jngermanland den Schweden überließ. Des Papstes Hoffnung ging nicht 
in Erfüllung; Iwan aber hatte noch in den letzten Jahren seines Lebens 
die Freude, daß sein Reich durch das westliche Sibirien, welches in seine 
Hände fiel, ansehnlich erweitert wurde. 
Der sittliche Zustand des russischen Volkes war aber noch auf sehr 
niedriger Stufe. Roh und unwissend waren die Vornehmen; jdie Unter- 
thanen führten, den Wilden gleich, knechtisch gesinnt und bewußtlos ein 
elendes Leben unter dem Ungemache eines rauhen Klimas. Freier und 
glücklicher lebten die Kosaken am Dneper und Don, die sich durch 
Muth und Tapferkeit sowohl dem Joche der Tataren, als auch der unmit¬ 
telbaren Herrschaft der Czaren zu entziehen wußten, doch dienten sie den 
letzten als freiwillige Krieger. 
H. 21. Entdeckungen, Handel, Erfindungen und Gewerbe. 
Spanier und Portugiesen setzten die Entdeckungen, die sie schon ge¬ 
macht hatten (s. Th. II. §. 16), im Osten und Westen unablässig fort; der
	        
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