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hinderten Karl an dem freien Gebrauche seiner Uebermacht. König Franz l.
von Frankreich war der Eine, der glänzendste Ritter seiner Zeit, einer der
aufgeklärtesten und liebenswürdigsten Männer, König einer Nation, die
seiner würdig war. Allein er hatte Karl V. kaum aufhalten können,
weil er nicht nur die Vorzüge, sondern auch die Mängel seiner Nation
theilte und ebenso leichtfertig blutige Siege und deren Erfolge verscherzte,
als er sinnlichen Genüssen hingegeben nicht darauf achtete, daß nun alt¬
deutsche Sittenstrenge (ähnlich der altrömischen) und eben solch beharrlicher
Ernst auf den Kampfplatz getreten sei. Der andere Mann und Held der
Zeit war ein Mönch aus Sachsen, Martin Luther, der ohne eine andere
Macht, als die des gesunden Menschenverstandes und der biblischen Wahr¬
heit, dem halben Europa eine neue Seele und eine Kraft gab, die Karl V.
nicht überwinden konnte, weil er nicht an sie glaubte."
§. 2. Martin Luther.
Martin Luther wurde im I. 1483 den 10. November zu Eisleben
geboren. Sein Vater hieß Hans Luther, und war damals, als ihm
der Sohn geboren wurde, ein armer Bergmann. Die Mutter unseres
Luther hieß Margarethe; sie war eine geborene Lindemann. Der
Geburtsort des Hans Luther war Möhra, ein Dorf an der nördlichen
Spitze des Thüringcrwaldes. Hier begründete Hans Luther zuerst seinen
Hausstand; er trieb neben seinem bergmännischen Gewerbe auch ländliche
Geschäfte. Aus unbekannten Gründen zog er von Möhra nach Eisleben.
Man hat mancherlei Sagen aufgestellt, die man seinem Umzuge unterlegte,
— sie alle entbehren aber durchaus der historischen Bewährung. Die
meiste Wahrscheinlichkeit zur Erklärung seines Umzuges hat noch die An¬
gabe, daß er die Aussicht hatte, ein reichlicheres Auskommen, als er in
Möhra hatte, beim Mansfelder Bergbau zu finden. Indem Martin
Luther's Eltern schon nach Ei sieben gezogen waren, als er geboren ward,
erscheint von selbst die Angabe als völlig unzulässig, nach welcher Luther
während einer Jahrmarktsreise seiner Eltern nach Eisleben geboren sein soll.
Luther's Eltern, die bald von Eisleben nach Mansfeld ^ogen, waren ehr¬
bare, sieißige und fromme Eheleute, die sich allmälig emporarbeiteten, so
daß sie zu bürgerlicher Wohlhabenheit und zu Ansehen gelangten. Der
Vater kam selbst in den Magistrat der Stadt Mansfeld und gelangte als
ein ebenso verständiger als redlicher Mann zu allgemeiner Achtung, so daß
er, wie Melanchthon berichtet, um seiner Redlichkeit willen bei allen
frommen Leuten lieb und werth gehalten wurde. Auch der Mutter Luther's
wird von den Zeitgenossen ein großes Lob gespendet, denn es wird über sie
berichtet, daß sie „viel Tugenden gehabt habe, die einer ehrlichen Frau zu¬
stehen und sie sei insonderheit berühmt gewesen ihrer Zucht, Gottesfurcht
und steißigen Gebetes halber, daß auch alle andere ehrliche Weiber auf sie,