Full text: Neuere Geschichte (Theil 3)

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als auf ein Exempel der Tugend und Ehrbarkeit gesehen." Die Eltern nah¬ 
men sich der Erziehung ihrer Kinder, — im Ganzen drei Sohne und vier 
Töchter — mit Sorgsamkeit und Thätigkeit, Liebe und Aufopferung, aber 
auch mit Ernst und Strenge an, ja dieser Ernst und diese Strenge gab 
sich selbst oft als eine scharfe und herbe Zucht kund. Indem ihnen viel 
daran lag, daß die Kinder fromm und sittlich rein aufwuchsen und Tüch¬ 
tiges lernten, bemühten sie sich auch, den jungen Martin schon von frühe¬ 
ster Kindheit an, „sobald er nur etwas fassen konnte" zur rechten Erkennt- 
niß und Furcht Gottes hinzuleiten. Es scheint, daß sie ihn vom Anfang 
an für den Gelehrtenstand bestimmten und 'daß er frühzeitig treffliche An¬ 
lagen entwickelte. Seinen ersten Unterricht erhielt er in der Stadtschule 
zu Mansfeld, wo die Zucht eben so strenge war, wie im elterlichen Hause. 
Hier lernte er die zehn Gebote, den Kinderglauben, das Vater Unser, Kin¬ 
dergrammatik, die ein barbarisches Mönchslatein nach dem Donat (einem 
Lehrer des Kirchenvaters Hieronymus aus dem 4. Jahrhundert) enthielt, 
den'Cisio Janus (einen lateinischen Kalender, der aus Versen auf jeden Mo¬ 
nat bestand, welche zusammen gerade soviel Sylben enthielten, als das 
Jahr Tage hat, und aus denen die Kinder zugleich die Festzeiten, nament¬ 
lich die Heiligentage, lernten) und christliche Gesänge. Im 14. Jahre als 
die Mansfelder Schule für ihn nicht mehr ausreichte, als er gezeigt hatte, 
daß er, wie Matthesius sagt, „fein fleißig und schleunig lernte," daß 
es ihm an einem tüchtigen Verstände und an Lernlust nicht fehlte, sandten 
ihn die Eltern auf eine höhere Schule nach Magdeburg (1497). Wie 
es scheint, erhielt der kleine Wanderer viele gute Lehren und Ermahnungen 
auf den Weg mit, aber nur ein sehr spärliches Reisegeld und keine anderen 
Mittel zu seinem weiteren Fortkommen, als etwa die nöthigsten Habselig¬ 
keiten. Hier stand er allein, ein armer fremder Schüler in der großen 
Stadt; kümmerlich mußte er sich forthelfen, sein Brod vor den Thüren er- 
singen und bittere Noth leiden. Daher war auch seines Bleibens nicht 
lange in Magdeburg. Weil er sich ohne Unterstützung sah, indem seine El¬ 
tern ihm nicht den nöthigen Unterhalt geben konnten/ sandten sie ihn etwa 
nach einem Jahre nach Eisenach, wo Verwandte seiner Familie lebten und 
die Hoffnung eines leichteren Fortkommens sich ihm in Aussicht stellte; 
überdieß stand die dortige lateinische Schule in einem hohen Rufe. Der bessere 
Unterricht dieser Schule weckte und entwickelte zwar in Luther den eigent¬ 
lichen und rechten wissenschaftlichen Sinn und Eifer, aber die Hoffnung, 
eine hinreichende Unterstützung bei seinen Verwandten in der Stadt zu fin¬ 
den, ging nicht in Erfüllung. Er mußte auch hier mit bitterer Roth kämpfen 
und in die Reihe der Currentschüler treten, welche, (wie es noch in unse¬ 
ren Zeiten in Deutschland hie und da Sitte ist) vor den Häusern der Reichen 
Lieder sangen und dafür Almosen bekamen, von denen sie ihre nothwendig- 
sten Bedürfnisse befriedigen konnten. Doch bald sollte sich seine Lage bessern- 
Einst sang er vor dem Hause Conrad Kotta's eines ehrsamen und
	        
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