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wies beständig auf Jesum Christum hin, der auch die Schriftgelehrten
tadelte. Die Alchymie, Astrologie, Mystik und Sylbenstecherei machte er
lächerlich und suchte das deutsche Bewußtsein durch die Ermahnung zu wecken,
der deutschen Natur und Wahrheit treu zu bleiben. Dabei war er bemüht,
Freunde und andere edle Menschen, die von ihren Zeitgenosten verunglimpft
wurden, zu vertheidigen; seine Schriften sind voll von solchen Ehrendenk¬
mälern. Eines seiner merkwürdigsten Werke ist: Chimische Hochzeit
Christians Rosenkreuze ns, worin er die Geschichte eines Mannes er¬
zählt, der in Aegypten die Geheimnisse der alten Priester kennen lernte,
und in sein Vaterland zurückgekehrt, nach dem Muster derselben eine Ge¬
sellschaft stiftete, welche sich's zum Zwecke machte, die sittliche und wissen¬
schaftliche Erziehung zu verbessern und acht christliche Wohlthätigkeit zu
üben. Erwähntes Buch soll die Stiftung der Rosenkreuzer veranlaßt haben,
die durch einseitige Bestrebungen der Wissenschaft in der Folge mehr schadeten,
als nützten. Andrea starb im I. 1654; im dreißigjährigen Kriege hatte er
alle Gräuel der damaligen Zeit auszustehen. Wir theilen hier aus seinen
Apologien folgendes Stück mit, das wir als eine Denkschrift an die
Menschheit betrachten können.
Die begrabene Wahrheit.
Als sich irgendwo viele Anzeigen fanden, daß die Wahrheit begraben
sei, ließ man nachsuchen und entdeckte nach einigen Tagen Arbeit einen
Sarg. Er war ganz einfach. Man hob ihn herauf, konnte aber keine
Aufschrift ausfindig machen, als: Zu meiner Zeit. Die auseinander-
geschlagenen Bretter zeigten einen Leichnam, verstümmelt, schmutzig und
überschüttet mit Dingen, nicht ohne Ekel zu nennen. Es ergab sich, daß
er nicht mit Salben und Gewürzen, sondern mit mancherlei Unrath ein-
balsamirt worden war; nur mit vieler Mühe ließ er sich säubern. Da fand
man denn endlich zum Haupt' ein ehernes Täfelchen mit dieser Inschrift:
Hier liegt
Die Wahrheit,
eine Tochter Gottes,
durch Lücke des Aberglaubens,
Gift der Verführung und Entkräftung der
Sinnlichkeit,
Despotismus der Fürsten,
Trägheit der Priester und Verschmitztheit
der Staatsmänner,
Leichtsinn der Geschichtschreiber,
Pedanterie der Literatoren und Dummheit
des Volks
ermordet
und hier im Unrathe der Lügen
begraben.
Nach hundert Jahren sieht mich die Sonne wieder.
Gegrüßest seist du mir, Nachwelt!