Full text: Neuere Geschichte (Theil 3)

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es allein gehan delt und ausgerichtet. Wenn ich hätte wollen mir 
Ungemach fahren, ich wollte Deutschland in ein groß Blutvergießen gebracht 
haben, ja ich wollte wohl zu Worms ein Spiel angerichtet haben, daß der 
Kaiser nicht wäre sicher gewesen*). Aber was wäre das? ein Narrenspiel 
wäre es gewesen, und ein Verderbniß an Leib und Seele." 
Durch solche und ähnliche Predigten brachte er endlich den wilden 
Schwarm zur Ruhe, und Kurfürst Friedrich der Weise verzieh ihm 
gerne, daß er ohne Erlaubniß zurückgekommen war. Luther trat nun 
in seine vorige Wirksamkeit als Prediger und Professor wieder ein, wobei 
ihm sein Freund, Philipp Melanchthon, der gelehrteste Deutsche seiner 
Zeit, trefflich beistand. Da Leo X. gestorben war, und auch sein 
Nachfolger Hadrian VI. wenig Thatkraft bewies, blieb die Reforma¬ 
tion ziemlich unangefochten, obschon Herzog Georg von Sachsen, 
Kurfürst Joachim von Brandenburg und Heinrich von Braun- 
schwcig nebst einigen anderen deutschen Fürsten sie in ihren Ländern ver¬ 
folgten. Clemens VII. wollte, als er zur Regierung kam, das Wormser 
Edict, welches Luthern in die Acht erklärte, aus dem Nürnberger Reichs¬ 
tage (1524) wieder erneuern, allein sein Legat, der Cardinal Lorenz 
Campeggi konnte nicht durchdringen. Schon auf der Reise zum Reichs¬ 
tage mußte er sehr unangenehme Erfahrungen machen, das Volk verspottete 
ihn, wohin er kam, so daß selbst päpstlich gesinnte Fürsten ihm riethen, sich 
zurückzuziehen. Auf dem Reichstage aber hatte er den Verdruß, daß die 
evangelischen Stände die Oberhand behielten und erklärten, daß sie dem 
kaiserlichen Edict von Worms gegen Luther und dessen Anhänger, „so 
viel es ihnen möglich sei" Nachkommen wollten, zugleich verlangten sie, 
daß ein Concil zur Schlichtung der obschwebenden Zerwürfnisse an gelegener 
Mahlstatt in Deutschland ausgeschrieben würde. Diese Erklärung gegen 
die Vollziehung des Wormser Edicts, die zum Reichstagsbeschluß erhoben 
wurde, war dem Fortgange der Reformation nicht nachtheilig. Luther 
fuhr ungehindert und eifrig fort, die Kirche und den Glauben durch 
Predigten und Schriften, die unzählige Male gedruckt und in alle 
Länder verbreitet wurden, zu verbessern. Im I. 1522 kam zum ersten 
Mal das Neue Testament in deutscher Uebersetzung im Drucke 
heraus. In allen Schriften Luthers, die dieser für seine Sache und zur 
Widerlegung der Gegner schrieb, war aber nachdrücklich darauf hingewiesen 
daß er, als Reformator der Kirche, keinesweges gesonnen sei, eine neue 
Kirche aufzurichten, sondern nur die alte von Schmutz und Anhängseln 
zu säubern. Daher erklärte er auch: „Du mußt dich nicht lutherisch 
*) Er spielte dabei auf Ulrich von Hutten an, der ihm sagen ließ, daß er 
mit aller Ritterschaft über den Reichstag herfallen wolle, wenn man ihn aburthei- 
len würde.
	        
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