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über Mönchthum und Ehelosigkeit dachte, darüber spricht er sich in einem
seiner Briese auf folgende Weise aus:
/,Jch habe gesehen mit diesen Augen, da ich bei meinem vierzehnten
Jahre zu Magdeburg in die Schule ging, einen Fürsten von Anhalt, näm¬
lich des Dompropsts und hernach Bischof Adolfs zu Merseburg Bruder,
der ging in den Barfüßlerkappen in der breiten Straßen um nach Brot
und trug den Sack, wie ein Esel, daß er sich zur Erde krümmen mußt;
aber sein Gesell Bruder ging neben ihm ledig, auf daß der fromme Fürst
ja allein das höchste Erempel der grauen beschornen Heiligkeit der Welt
einbildete. Sie hatten ihn auch so übertäubet, daß er alle anderen Werke
im Kloster gleichwie ein anderer Bruder that, und hatte sich also zerfastet,
zerwacht, zerkasteiet, daß er aussah, wie ein Todtenbild, eitel Bein und
Haut, starb auch bald, denn er mochte solch strenges Leben nicht ertragen.
Summa, wer ihn ansahe, der schmatzte vor Andacht, und mußte sich seines
weltlichen Standes schämen, und ich halte, daß noch viel Leute zu Magde¬
burg leben, die es gesehen haben. Wenn nun Jemand wäre da gewesen,
der den frommen Fürsten hätte von Christo und seiner Taufe recht gesagt,
und ihn unterrichtet, wie er wohl hätte können in seines Vaters Hause selig
werden, und, hätte er ja nicht wollen ehelich werden, dennoch einen seligen
Stand mögen führen, mithelfen Land und Leute regieren und eines frommen
weltlichen Fürsten Amt treulich ausrichten, und darin Gott einen rechten
Dienst thun und besseren Orden führen, denn der Barfüßler ist, darinnen
man anderer Leute Brot und Gut frist, mit eigenen Werken Christum ver-
läugnet und die Welt durch verkaufte und närrische, unerlaubte, sündliche
und falsche gute Werke zur Hölle führet; meinest du nicht, ob er solche
Wahrheiten hätte erkannt, er würde die Kappen mit Füßen getreten und
angespeiet haben, darinnen er sich zu Tode hat müssen martern?"
Durch seine Verehelichung gab er also das Beispiel eines wahrhaft
christlichen und zugleich wahrhaft deutschen (nicht römischen) Priesterstandes,
der, durch fromme Häuslichkeit geweiht, bis auf unsere Zeit durch lebendiges
Beispiel christlicher Tugend segensreich in der evangelischen Kirche wirkt und
waltet. Luther's Wirksamkeit ward durch diesen Schritt keinesweges ge¬
hemmt, vielmehr arbeitete er nun noch eifriger an seinem Werke. Jetzt
wurden die Glaubenslehren von der Brodverwandlung, von der Anbetung
der Heiligen, von den Klostergelübden, vom Fegfeuer und dergleichen mehr
aufgehoben, die Messen abgeschafft und dafür die Communionen wie es
Jesus angeordnet, unter beiderlei Gestalt ausgetheilt, die Festtage vermindert;
der Gottesdienst wurde vereinfacht und bestand wie in den Zeiten, der Apostel
aus Predigt und Gesang; zugleich wendete man bei demselben die Mutter¬
sprache an. Dabei gab sich Luther viele Mühe, gute Schulen einzurichten,
„denn," sprach er, „soll man der Christenheit wieder helfen, so muß man
fürwahr an den Kindern anheben. Auf Befehl des Kurfürsten durchreiste
er dessen Land, um die Kirchen und Schulen zu besuchen, und verfaßte darauf,