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Angelegenheiten in Deutschland nach dem Willen des päpstlichen Stuhles
zu ordnen. Zu diesem Zwecke hatte er auch den berühmten Reichstag von
Augsburg (1-330) ausgeschrieben. Der Landgraf Philipp war anfangs
gar nicht gesonnen, nach Augsburg zu gehen und suchte auch in dem
Kurfürsten Johann denselben Entschluß hervorzurusen. Dieser aber hegte
gerade die entgegengesetzte Ansicht, denn er erkannte in dem ausgeschriebe¬
nen Reichstage gewissermaßen das Nationalconcil, nach welchem Deutschland
so oft und dringend verlangt hatte, auf welchem nun der Zwiespalt in der
Religion beigelegt werden sollte. Er ließ sich daher von seinen Theologen
Luther, Jonas, Bugenhagen und Melanchthon eine Schrift auf¬
setzen, welche die evangelische Lehre vom Glauben und den Ceremonien dem
Reichstage darlegen und zugleich angeben sollte, wie weit man sich „mit Gott,
Gewissen und gutem Fuge, auch ohne beschwerliche Acrgernisse" in Unterhand¬
lungen einlassen könne. Die Theologen übergaben die Schrift, aus 9 Ar¬
tikeln bestehend, dem Kurfürsten zu Torgau; daher heißt die Schrift über¬
haupt „die Torgauer Artikel"*). Am 2. Mai traf der Kurfürst Johann
mit seinem Prinzen, Johann Friedrich, begleitet von Melanchthon, Jo¬
nas und Agricola in Augsburg ein, kurz darauf auch der Landgraf
Philipp mit den Theologen Schnepf und Urban Rhegius, der Kaiser
aber kam erst am 15. Juni an. Außer diesen Fürsten hatten sich fast alle
deutsche Reichsfürsten und Bischöfe, viele Ritter und Abgeordnete der freien
Reichsstädte eingefunden. Luther konnte in der Mahlstatt nicht erscheinen, da
die Reichsacht noch nicht aufgehoben war. Er war in Koburg zurückgeblie¬
ben, und wie die Lage der protestantischen Kirche damals sehr bedenklich war,
dichtete er, um sein gepreßtes Herz zu erleichtern, nach dem "16. Psalm
den erhabenen Hymnus: „Eine feste Burg ist unser Gott." Gleich bei
der Ankunft des Kaisers in Augsburg gab sich dessen Gesinnung gegen
die evangelischen Fürsten zu erkennen; er forderte ihre Theilnahme an der
Procession des Frohnleichnamsfesies und verbot die evangelische Predigt so¬
wohl in den Kirchen, als in den Wohnungen der Fürsten. Luther sah
mit prophetischem Geiste in diesem Vorspiele des Reichstages die ganze Ent¬
wickelung desselben; er meinte, daß der Kaiser nach dem Verbote der evange¬
lischen Predigt zuletzt die ganze evangelische Predigt verdammen werde, daß
der Papst und die Bischöfe den Kaiser bestrickt, und ihn wohl bewogen
hätten, die Evangelischen zu hören, aber nur um sie dann mit desto schein¬
barerem Grunde als halsstarrig 51t verdammen. Merkwürdig ist es jedoch,
wie Philipp Melanchthon, dieser sanfte und geistreiche Mann, der tief
zu blicken, aber auch alles von der edelsten Seite zu betrachten gewohnt
war, in einem vertrauten Briefe über Kaiser Karl V. sich äußert:
„Das Merkwürdigste auf dieser Versammlung ist unstreitig der Kaiser
selbst. Sein ununterbrochenes Glück wird zwar auch in Eueren Gegenden
*) Man hat sie bis jetzt nicht wieder aufgefunden.