77. Friedrich II., der Große (1740—1786). Jugend und Regierungsantritt. 171
Norwegen zu erobern, vor der Festung Friedrichshall 1718 seinen Tod.
Darauf kam es 1721 zum Frieden (von Nystadt), in dem Preußen
Vorpommern erhielt, das einst der Große Kurfürst vergeblich zu er-
Werben gesucht hatte. , ,
6. Friedrich Wilhelms Ende. Friedrich Wilhelm hatte eine
kernige Gesundheit; aber im Dienst des Vaterlandes rieb er sich auf,
jo daß er sein Leben nicht über 52 Jahre brachte. Er sah dem Tode
oetrost ins Auge; dem Volke befahl er zu sagen, er sterbe als ettt großer
armer Sünder, der aber bei Gott Gnade gefunden habe. Er verschied
mit dem Gebete: „Herr Jesu, du bist mein Gewinn im Leben und im
Sterben." Er hinterließ ein gefestigtes Reich, einen gefüllten Staats-
schätz und ein treffliches Heer.
77. Friedrich H., der Große (1740—1786). Jugend und
Uegirrungsantritt.
1. Friedrichs Jugend. Friedrich II. oder der Große, vom Volke
„der alte Fritz" genannt, fiel schon als Kind durch seine großen,
strahlenden blauen Augen auf; auch zeigte er früh die seltensten Talente.
Sein Vater, Friedrich Wilhelm I., wollte ans ihm das machen, was er
selbst war: ein guter evangelischer Christ, ein tüchtiger Soldat und ein
sparsamer Hauswirt. Damit er ein rechtschaffener Christ werde, ließ er
ihn gründlich in der Religion unterrichten und viel in Bibel, Gesangbuch
And Katechismus lernen. Weil es dabei aber viele Strafen gab und der
Unterricht sehr trocken und geistlos erteilt wurde, faßte Friedrich eine Ab¬
neigung gegen die Religion. Früh lernte er das Soldatenleben kennen;
schon vom achten Jahre an mußte er exerzieren und vom zehnten wie ein
gemeiner Soldat mit Flinte und Patronentasche am Schlosse Schildwache
stehn. Aber Fritz fand keinen Gefallen daran; bald sah der Vater mit Ver¬
druß, wie grundverschieden sein Sohn von ihm selber war. Das ewige
'Exerzieren war ihm langweilig; die Härte des Königs und des alten
Dessauers gegen die Soldaten tat ihm weh, und an den wilden Jagden
"des Vaters, sowie an den rohen Späßen des Tabakskollegiums fand er
durchaus keinen Geschmack. Dagegen liebte er die Dichtkunst und Musik
und hatte infolge seiner Erziehung durch französische Lehrer eine große
Vorliebe für die französische Sprache und Literatur gefaßt. Nie fühlte
er sich glücklicher, als wenn er Zopf und Uniform ablegen und in gold¬
gesticktem Rocke und wohlfrisiertem Haar bei seinen lieben französischen
Büchern sitzen, oder auf der Flöte spielen konnte. Da dieses alles dem
Vater ein Greuel war, so mußte es heimlich geschehen, _ wobei seine
Mutter, Sophie Dorothea, ihn unterstützte. Einst überraschte ihn der
König; zornig warf er Friedrichs goldgestickten Rock ins Feuer, schickte
die Bücher dem Buchhändler zurück und hielt seinem Sohne eine sehr
lange und derbe Strafrede. Zitternd saß währenddessen Friedrichs
Musiklehrer, der berühmte Quanz, in dem Schlupfwinkel, wohin er sich
Dor Angst verkrochen hatte. „Fritz," klagte der König nachher, „ist ein