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den Vater auf, bemächtigten sich seiner und schickten die Stief¬
mutter Judith in ein Kloster. Da erbarmte sich Ludwig der
Deutsche des Vaters, und bewirkte durch seine Verwendung dessen
Wiedereinsetzung in die Regierung. Auch Judith kehrte an den
kaiserlichen Hof zurück.
8) Bald aber trübte sich das Verhältnis Ludwig des From¬
men zu seinen Söhnen von neuem. Denn durch die Intriguen
der herrschenden Hospartei und die Vorliebe des schwachen Kaisers
für seinen Lieblingssohn Karl geschah es, daß Ludwig dem
Deutschen das ihm versprochene Alemannien vorenthalten
wurde, auch Aquitanien dem vorzugsweise gehaßten Pippin
abgenommen und ebenfalls an Karl den Kahlen übertragen
werden sollte. Dies vereinigte wieder die 3 altern Brüder zum
bewaffneten Aufstand gegen den Vater und die ihn beherrschende
Partei.
9) Die Heere näherten sich einander auf der Ebene bei Kol-
mar, die seitdem den Namen Lügenfeld führt, weil hier das
Heer des Kaisers, während man drei Tage lang unterhandelte,
zum größern Theil zu den Söhnen überging (833). Der verlassene
Kaiser begab sich nun selbst in die Gewalt seiner Söhne, und
wurde von Lothar zu öffentlicher Kirchenbuße und zur Thronent¬
sagung gezwungen und darauf in ein Kloster zu Soissons
gesperrt.
10) Doch schon im folgenden Jahr- bereuten die beiden jün¬
geren Brüder, Pippin und Ludwig, das Verfahren gegen den
Vater, den sie mit Heeresmacht befreiten und wieder auf den Thron
erhoben. Lothar wurde nach Italien verwiesen. Der Kaiser ver¬
blieb nun einige Jahre im ruhigen Besitze der obersten Gewalt.
Als er aber nach dem Tode Pippin's (838) mit Uebergehung der
unmündigen Söhne desselben eine neue Theilung des Reichs zu
Gunsten Lothar's und Karl's vornahm, so griff der gekränkte
Ludwig der Deutsche, der bloß Baiern behalten sollte, zu
den Waffen. Der Vater starb indeß während eines Zuges gegen
den Sohn auf einer Rheininsel bei Mainz (20. Jan. 840), nachdem
er gegen Ludwig Verzeihung ausgesprochen und befohlen hatte,
an Lothar Krone und Scepter zu überbringen.
>) Anmerk. Ludwig der Fromme, Geschickte der Auslösung des großen
Frankenreichs von Fr. Funck. 1832.
§. 47.
Theilung des Frankenreichs durch die Verträge zu Verdun 843 und zu
Mersen 870.
1) Nach dem Tode des Vaters strebte Lothar als Kaiser
durch List und Gewalt nach alleiniger Herrschaft im Reiche der