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und Rechte, die damals in katholischen oder evangelischen
Händen gewesen, sollen es auch in Zukunft bleiben oder
restituirt werden.
Demgemäß durften Unterthanen, die einer von der ihres
Landesherrn verschiedenen Confession angehörten, gegen den
Besitzstand im Normaljahre nicht beschränkt werden. Wo
aber ein solcher Besitzstand für die Uebung eines öffentlichen
oder Privatgottesdienstes im Jahre 1624 nicht vorhanden
war, wurde den Unterthanen nur das unbeschränkte Recht
zur Auswanderung, aber dem Landesherrn auch die Befug-
niß, diese zu befehlen, eingeräumt. In solchem Sinne war der
unduldsame Grundsatz: eujus r6gio ejus religio durch den
westfälischen Frieden aufgehoben oder vielmehr gemildert worden.
6. In Bezug auf die staatsrechtlichen Verhältnisse
wurde die Landeshoheit (das jus territoriale, nach der
deutschen Ausfertigung die hohe Landesobrigkeit) der
Reichsstände in einem Umfange jetzt anerkannt, daß ihre
politische Stellung im Reiche von voller Souveränetät kaum
noch sehr verschieden war (S. §. 59). Sogar das Recht,
Bündnisse unter sich und mit Auswärtigen zum Behuf
„der eigenen Erhaltung und Sicherheit (pro sua conservatione
et securitate)“ wurde den Reichsständen eingeräumt, nur
solle es nicht gegen den Kaiser, das Reich und den Land¬
frieden sein. Danrit war die Auflösung des aus seinen natür¬
lichen Fugen gerissenen Reichs vorgezeichnet.
e. Noch wurde die Unabhängigkeit der Schweiz und der Nie¬
derlande vom deutschen Reich ausdrücklich anerkannt.—
Schweden und Frankreich übernahmen die Garantie
dieses Friedens, d. i. sie sprachen sich das Recht zu, je nach
Maßgabe ihrer Interessen sich in die deutschen Angelegen¬
heiten auch künftig einzumischen. — Der Papst aber wider¬
sprach gleich anfangs und später wiederholt dem Friedenswerke,
insofern es dem päpstlichen Stuhle Schaden bringe und
den Protestanten etwas bewillige. Die päpstlichen Prote¬
stationen blieben indeß stets unbeachtet. Denn so groß
waren die Schwierigkeiten, die man zu überwinden hatte,
und so entsetzlich die Noch, der man entgehen wollte, daß
man schließlich dem Friedensinstrumente beifügte: Niemand
solle durch Wort oder Schrift die geschlossene Einigung
anfechten, noch jemals Gesetze oder Verträge, namentlich
Concordate mit Rom, gegen den Inhalt dieses Friedens
geltend machen dürfen.
4) Die Vollziehung des westfälischen Friedens, die ein kaiser¬
liches Edict bereits im November 1648 anordnete, bot große
Schwierigkeiten und zog sich in die Länge. Auch blieben fran-