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3. A e.g y p t e r. 
Von dem alken, wunderbaren Indien kommen wir wieder 
in ein Land der Wunder — Aegypten. Ein langes schmales 
Thal, durchflossen vom Nil, dessen eigentliche Quellen noch 
nicht erforscht sind, und auf den unbekannten Mvndgebirgen 
liegen sollen, eingeschlosscn auf der einen Seite von Gebirgen, 
auf der andern von den Sandwüsten Afrikas. Bekannt ist, 
wie dieser nützliche Strom alljährlich seine Ufer überschreitet, 
und durch den zurückgelassenen Schlamm das Land düngt, so 
daß die Anwohner nur zu säen brauchen, um reiche Erndten zu 
erwarten. Wenn im Frühling der Schnee auf den Gebirgen, 
die dem Nil sein Wasser geben, zu schmelzen beginnt, so fängt 
er an allmalig zu steigen. Dies geschieht im April, aber nur 
«»merklich, und nimmt zu, bis zu Anfänge Augusts ein schnel¬ 
les Steigen bemerkt wird; denn nun weht zugleich der Nord¬ 
wind, und hemmt den schnellen Ablauf des Wassers. Jetzt ist 
die allgemeine Aufmerksamkeit der Einwohner auf den Nil ge¬ 
richtet. Jeden Morgen und jeden Abend macht ein Ausrufer in 
der Hauptstadt den Stand des Nils bekannt, und hat er die 
gewünschte Höhe erreicht, so überlassen sich die Einwohner dem 
Taumel der Freude. Man umarmt sich, man wünscht sich ge¬ 
genseitig Glück und stellt Freudenfeste an. Die Schleusen, wel¬ 
che das Austreten noch zurückhalten, werden geöffnet, und das 
segenbringende Wasser strömt über und bewässert das Land. 
Weithin bietet dann Aegypten einen großen Wasserspiegel dar, 
aus welchem die zahlreich an seinen Ufern liegenden Städte und 
Dörfer wie Inseln hervorragen. ImAlterthume sah man dann 
die Einwohner sich auf bereit gehaltene Fahrzeuge begeben. 
Große Precessionen wurden angestellt nach den Tempeln der 
wohlthätigen Gottheiten; der ganze Nil ertönte von dem Klange 
der Musikchöre, und die mit Laubgewinden geschmückten Schiffe 
stellten den Anblick schimmernder Gärten dar. An 700,000 Men¬ 
schen sollen dann oft so auf der Wasserwanderung gewesen seyn. 
Die alten Aegypter werden uns von dem ältesten griechi¬ 
schen Geschichtschreiber, Herodot, der 450 Jahre vor Christus 
lebte, und selbst das Land bereiste, als ein dunkelbraunes, ma¬ 
geres, schweigsames und ernsthaftes Volk geschildert. Eine alte
	        
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