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bot er den letzten Rest seiner sonst so großen Macht auf. Der
Herzog von Lothringen hatte ihm indessen die Stadt Nancy wie¬
der entrissen; die belagerte nun Karl mitten im Winter. Da
zogen die Schweizer herbei, ihrem Bundesgenossen beizustehen.
Am Morgen der Schlacht wurde dem Herzog Karl sein raben¬
schwarzes Schlachtpferd vorgeführt. ' Als er sich auf den Sattel
schwang, siel ihm von seinem Helme dessen Zier, ein goldner Löwe,
auf den Sattelknopf. Mit verbissenem Unmuthe seufzte er: „das
ist von Gott!" gab einem seiner Diener versiegelte Befehle, was
nach seinem Tode zu thun sey, und sprengte vorwärts. Mitten
in der Schlacht ging sein vertrautester Feldherr, ein tückischer Ita¬
liener, der Graf von Campobasso, plötzlich zum Feinde über.
Aber brav war es, daß die ehrlichen Schweizer ihn zurückwiesen.
An der Seite eines Verräthers zu streiten, antworteten sie, sey
weder der Art ihrer Vater noch ihrer eignen Ehre gemäß, und
so eilte Compobasso mit seiner Schaar nach einer Brücke, über
welche Karl mußte, wenn es zur Flucht kam. Dort lauerte er
ihm auf. Nun begann die Schlacht bei Nancy. Da erklang
plötzlich auf der Höhe das Urihorn drei Mal. Drei Mal fuhr
Todesschrecken durch Karls Herz; diesen Schall hatte er bei
Granson und Murten gehört! Bald warfen sich die Burgunder
in die Flucht. Auch Karl wurde mit fortgerissen. Er kam an
einen halbzugefrornen Graben, und wollte hinübersetzen. Sein
Pferd stürzte, und brach ein. Hinter ihm stürmte der Feind heran.
Karl rief einem feindlichen Anführer zu: „rette mich! ich bin
der Herzog von Burgund!" Der Mann aber war sehr taub,
und verstand: „hoch lebe Burgund!" Den Ruf hielt er für
Hohn, und hieb ihn mit der Hellebarde in den Kopf, daß er
todt liegen blieb. Das geschah am 5. Januar 1477. Erft nach
mehreren Tagen fand man seine Leiche. Der Herzog von Loth¬
ringen Renatus ließ ihn stattlich beerdigen. Als Karls Leiche
auf dem Trauergerüste ausstand, näherte er sich mit nassen Au¬
gen. „Lieber Vetter!" sprach er, indem er die herabhangende
Hand des Todten ergriff; „Ihr habt uns viel Uebel zuge-
sügt! Eure Seele habe Gott!" — Wie schön gegen einen
Feind! —
Es ist betrübend, in der Geschichte noch öfter Beispiele von
schlechter Gesinnung als von Seelengröße erzählen zu müssen,