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8. Frühzeitig am nächsten Tage brachten uns Frauen aus dem Dorfe
in weitbauchigen, irdenen Gefäßen Wasser. Es unterschied sich zwar in
nichts von dem, das wir selbst uns am Abend vorher geholt, dennoch
wurde schnell damit ein Tee bereitet, dann alles wieder eingepackt, und
fort ging es. Der Weg war heute insofern angenehmer, als die Hügel
verschwunden waren. Nicht mehr Gneis wie gestern, sondern Kallstein
trat zutage, und zweifellos ist es einst Meeresboden gewesen, auf dem wir
jetzt dahinschritten. Schier unabsehbar schien sich die Steppe nach allen
Richtungen auszudehnen. Das hohe, vertrocknete Riedgras zu beiden
Seiten des Pfades streifte allmählich wieder den grauschwarzen Staub von
den Kleidern, der sich am vergangenen Tage darauf gelegt hatte. Busch⸗
partien und einzelnstehende Bäume unterbrachen die Eintönigkeit der Ebene;
Antilopen grasten in der Ferne, und wiederholt trafen wir Herden
wohlgemästeter Ziegen, die gewiß von den höher gelegenen Dörfern zur
Weide herabgetrieben waren. Nachdem wir vier Stunden gleichsam in
einem Meere von Gras marschiert, waren wir froh, in Ponghwe wieder
ein Dorf und damit das Ende dieser sich stets gleichbleibenden Steppe
zu erreichen. Ponghwe war für uns zugleich das Ende der afrikanischen
Wildnis, da bis hierher bereits die Arbeiter der Usambara-Eisenbahn—
linie vorgedrungen sind. Diese soll das reiche Hinterland von Tanga
und besonders die äußerst fruchtbare Landschaft Usambara dem Verkehr
erschließen. Wir ruhten kurze Zeit unter einem herrlichen Mangobaum
aus, der unsern breitästigen Dorflinden nicht unähnlich ist, und eilten
dann mit möglichster Schnelligkeit auf dem bereits aufgeschütteten Bahn⸗
damm dem vierzehn Kilometer entfernten Tanga zu.
Dr. Karl Beerwald. (über Land und Meer.)
228. Eine Kaffeepflanzung in unsern Kolonien.
Ich ritt durch den regenfeuchten Urwald des Gebirges. An den
Bergwänden empor drängten sich Stamm an Stamm die Riesenbäume
und verflochten ihre Äste ineinander, als wollten sie sich gegenseitig
halten. Dichtes Gebüsch wucherte am Boden. Weiße Blüten, rote
Glöckchen leuchteten über den dunkeln Blättern. An den Bäumen kletter—
ten Schlinggewächse hinauf und zogen um die Wipfel einen grünen
Schleier. In der Tiefe rauschte über Felsblöcke der Bergbach. Leicht
flog ich den bequemen Weg entlang, der durch ein Seitentälchen nach
dem andern sich windet. Verirren konnte ich mich nicht, denn auf Stunden
ringsum gab es nur diesen einen Pfad durch die Wildnis. Doch plötzlich
hielt mein Pferd an. Der Weg gabelte sich. Welches ist nun meine
Richtung? Da entdeckte ich ein an einen Stamm genageltes Brett und