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die Anhöhen auf der andern Seite zu ersteigen, und sich- darauf zu 
behaupten. Daun hielt es für mißlich, am folgenden Tage einen 
neuen Angriff abzuwarten, und zog während der Nacht in grö߬ 
ter Stille über die Elbe. Eine schreckliche Nacht! Preußen und 
Oestreicher irrten durch einander im Walde umher, ohne sich zu 
ihren Abtheilungen zurecht finden gU können. Einigen Haufen 
glückte es, Wachtfeuer anzuzünden, und bei diesen fanden sich 
sowohl Preußen als Kaiserliche ein, die — sonderbar c;enug! — 
mit einander ausmachten, sich in der Nacht friedlich zu vertra¬ 
gen, und sich am Morgen dem zu ergeben, der Sieger geblie¬ 
ben wäre. Die armen Menschen waren durch Kälte, Hunger 
und schwere Blutarbeit bis auf den Tod ermüdet; Manche hat¬ 
ten kein Brot, Andere kein Wasser, und noch Andere liefen vor 
Kälte wie unsinnig herum. Am bedaurungswürdigsten waren 
aber die Verwundeten, die vor Kälte erstarrt die rauhe Novem¬ 
bernacht auf der feuchten Erde liegend zubringen mußten, ohne 
Verband, Labsal und Nahrung, und sehnlichst den Tod herbei¬ 
wünschten. Unmenschen von Knechten, Weibern und Soldaten 
vermehrten noch diese Martern, indem sie auf dem Schlachtfelde 
herumstreiften, und den armen Verwundeten ihre wenigen Hab¬ 
seligkeiten nahmen, ja ihnen selbst die Kleider und das Hemde 
abrissen, und gegen die jammernden Klagen der Unglücklichen 
taub blieben. 
Der König brachte die schaurige Nacht unter sehr trüben 
Gedanken in der Kirche eines nahen Dorfes zu. Hier ließ er 
sich seine Wunde verbinden; dann setzte er sich auf die unterste 
Stufe des Altars, und fertigte beim Scheine einer düstern 
Lampe die nöthigen Befehle zum morgen zu erneuernden An¬ 
griffe auf. Die Nacht wurde ihm und Allen unsäglich lang; 
er sehnte sich, die endliche Entscheidung des blutigen Kampfes 
herbeizuführen. Dann und wann mußten seine Leute draußen 
zusehen, ob es denn immer noch nicht dämmere. Endlich ließ 
er sich das Pferd vorführen, und ritt in der ersten Dämmerung 
zum Dorfe hinaus, nach der Richtung, wo Ziethen stand. Hier 
kam ihm ein Trupp Reiter in weißen Mänteln entgegen. Einer 
sprengte vöran — es war Ziethen selbst —, und rief, sobald 
' er den König erkannte: „Ew. Majestät, der Feind ist geschla¬ 
gen; er zieht sich zurück." Nie hatte der König eine herrlichere
	        
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