69 
auf seinen mächtigen Minister Cromwell, den er in den To¬ 
wer setzen, und zum Tode verurtheilen ließ. Dies wird hier 
erzählt, um zu zeigen, theils zu welchen Ungerechtigkeiten ein 
launenhaftes Gemüth sich so leicht verleiten laßt, theils wie nicht 
selten Weiber die Männer an Standhaftigkeit im Unglück über¬ 
treffen. Als er im Gefängnisse saß, schrieb er an den König 
einen demüthigen Brief, der sich so endigte: 
„Ich bin ein jammervoller Gefangener; ich muß mich 
in den Tod ergeben, wenn es Gott und Ew. Maj. so 
gefallt. Aber mein schwaches Fleisch dringt mich, um 
Gnade und Verzeihung zu bitten. — Geschrieben im 
Tower mit schwerem Herzen, mit zitternder Hand, von 
Ew. Maj. allererbarmungswürdigsten Gefangenen, ih¬ 
rem armen Sklaven, 
Thomas Cromwell. 
N. S. Allergnadigster Herr, ich bitte um Gnade, 
Gnade, Gnade9' — 
Welch ein Contrast gegen die Ruhe und Ergebung, mit 
welcher die unschuldige Anna Boleyn starb! — 
Heinrich tröstete sich bald über den gethanen Mißgriff, und 
heirathete als 5te Frau eine vornehme Engländerin, Katha¬ 
rina Howard (sprich Hauerd), mit welcher er Anfangs 
überaus glücklich lebte. Aber noch kein Jahr war vergan¬ 
gen, da entdeckte er, daß sie eine lasterhafte Person sey, die 
ihre Neigung andern Männern geschenkt habe. Da er sie auf¬ 
richtig geliebt hatte, so stand er wie vernichtet da; lange konnte 
er kein Wort hervorbringcn, und endlich brach er in Thränen 
aus. Aber die Verbrechen der Königin waren so offenbar, und 
der Stolz und die Ehre des Königs so stark beleidigt, daß er 
dem Gerichte freien Lauf lassen mußte, welches sie zum Tode 
verurtheilte. Und — wie gerecht sind die Wege der Vorsehung! 
— die schändliche Rocheford, die durch ihre Verleumdung die, 
unschuldige Anna Boleyn aufs Blutgerüst gebracht hatte, erhielt 
jetzt die gerechte Strafe; denn man fand, daß sie die schlechten 
Streiche der Katharina befördert hatte, und darum wurde sie 
mit ihr zugleich enthauptet. 
Man hätte glauben sollen, nun würde das Heirathen dem 
Könige verleidet gewesen seyn. Aber nicht im mindesten. We-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.