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auf seinen mächtigen Minister Cromwell, den er in den To¬
wer setzen, und zum Tode verurtheilen ließ. Dies wird hier
erzählt, um zu zeigen, theils zu welchen Ungerechtigkeiten ein
launenhaftes Gemüth sich so leicht verleiten laßt, theils wie nicht
selten Weiber die Männer an Standhaftigkeit im Unglück über¬
treffen. Als er im Gefängnisse saß, schrieb er an den König
einen demüthigen Brief, der sich so endigte:
„Ich bin ein jammervoller Gefangener; ich muß mich
in den Tod ergeben, wenn es Gott und Ew. Maj. so
gefallt. Aber mein schwaches Fleisch dringt mich, um
Gnade und Verzeihung zu bitten. — Geschrieben im
Tower mit schwerem Herzen, mit zitternder Hand, von
Ew. Maj. allererbarmungswürdigsten Gefangenen, ih¬
rem armen Sklaven,
Thomas Cromwell.
N. S. Allergnadigster Herr, ich bitte um Gnade,
Gnade, Gnade9' —
Welch ein Contrast gegen die Ruhe und Ergebung, mit
welcher die unschuldige Anna Boleyn starb! —
Heinrich tröstete sich bald über den gethanen Mißgriff, und
heirathete als 5te Frau eine vornehme Engländerin, Katha¬
rina Howard (sprich Hauerd), mit welcher er Anfangs
überaus glücklich lebte. Aber noch kein Jahr war vergan¬
gen, da entdeckte er, daß sie eine lasterhafte Person sey, die
ihre Neigung andern Männern geschenkt habe. Da er sie auf¬
richtig geliebt hatte, so stand er wie vernichtet da; lange konnte
er kein Wort hervorbringcn, und endlich brach er in Thränen
aus. Aber die Verbrechen der Königin waren so offenbar, und
der Stolz und die Ehre des Königs so stark beleidigt, daß er
dem Gerichte freien Lauf lassen mußte, welches sie zum Tode
verurtheilte. Und — wie gerecht sind die Wege der Vorsehung!
— die schändliche Rocheford, die durch ihre Verleumdung die,
unschuldige Anna Boleyn aufs Blutgerüst gebracht hatte, erhielt
jetzt die gerechte Strafe; denn man fand, daß sie die schlechten
Streiche der Katharina befördert hatte, und darum wurde sie
mit ihr zugleich enthauptet.
Man hätte glauben sollen, nun würde das Heirathen dem
Könige verleidet gewesen seyn. Aber nicht im mindesten. We-