Object: Preußisch-deutsche Geschichte vom Ende des Großen Krieges bis zum Beginne des Zwanzigsten Jahrhunderts (H. 3)

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An der Weser, unterhalb Bremens, schiffte er sich mit seiner Schar auf 
englischen Schiffen ein. 
Mit dem Zuge des „schwarzen Wels" war der Ausstand in Nord- 
deutschland zu Ende; das Land westlich von der Elbe blieb dem Könige von 
Westfalen unterworfen, d. H. unter französischer Herrschaft. 
20. Die Neugeburt des preußischen Staates und Volkes. 
Stein, der Retter des preußischen Staates. Nach dem Frieden zu 
Tilsit begann in Preußen die Arbeit der Wiedererneuerung des Staates und 
Volkes. Der Mann, der dieses Reformwerk leitete, war der Minister 
vom Stein. 
Karl, Reichsfreiherr vom Stein war zu Nassau an der Lahn ge¬ 
boren. Er war aus sehr altem freiem Rittergeschlechte, mußte aber wie so 
viele andere seines Standes in fremden Diensten sein Auskommen suchen. Er 
studierte die Rechte und trat dann in den preußischen Staatsdienst ein; nach 
und nach rückte er bis zum Finanzminister auf. Beizeiten erkannte er die 
schlimme Lage des Staates und drängte fortwährend auf Verbesserungen. Als 
er aber nichts erreichte, forderte er seine Entlassung und zog sich auf sein 
Gut zu Nassau zurück. 
Nun, nach dem Frieden von Tilsit, wandte sich Friedrich Wilhelm 
wieder an ihn, weil Stein allein fähig war, das Land zu retten. Stein 
sagte zu und übernahm die Leitung des Ministeriums. Ohne Ehrgeiz und 
Eigensucht wirkte er nur für Staat und Volk; derb, barsch und herrisch, 
hatte er doch stets das Wohl von König und Vaterland vor Augen. Napoleon 
haßte er ebenso, wie er Gott liebte. 
Steins erste Sorge ging darauf, die schreckliche Last, die auf dem 
Lande ruhte, zu erleichtern. Napoleon hatte die Kriegskostensumme für 
Preußen nicht festgesetzt, um sein Heer recht lange im Lande lassen zu 
können. Er hatte Preußen nicht von der Landkarte tilgen können; dafür 
wollte er es um so nachhaltiger auspressen. Die Offiziere lebten wie 
Fürsten, ließen sich das feinste Essen und Trinken liefern und dazu noch 
hohe Geldsummen zahlen. Die gemeinen Soldaten verlangten oft täglich 
zwei Mittagsgerichte und Wein und Tabak obendrein. Den Bauern wurden 
Rindvieh und Pferde weggenommen; das Getreide und Futter wurde verkauft 
oder verbraucht, das Land förmlich ausgeraubt. Die Lage des Volkes 
war entsetzlich. Stein bemühte sich unablässig, daß Napoleon seine For¬ 
derungen kundgebe. Endlich, als der Krieg mit Spanien ausbrach, ver¬ 
langte der Kaiser 96 Millionen Mark und zog dann sogleich 150000 Mann 
seiner Truppen aus Preußen, daß nur 10 000 Mann in Stettin, Küstrin 
und Glogau blieben. Nun war man endlich die Quälgeister los. 
Die Königsfamilie zu Königsberg. Die preußische Königsfamilie zu 
Königsberg litt, während die Fremden im Lande schwelgten, die bitterste 
Not. Sie legte sich die größten Entbehrungen auf, um selbst Geld zur 
Abzahlung herbeizuschaffen. Alles Gold- und Silbergerät wurde verkauft, 
sogar der Brautschatz der Königin. Man aß aus irdenem Geschirr einfache 
Gerichte wie der Bauersmann, trank schlechte Zichorienbrühe statt des Kaffees
	        
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