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Decke von Mülheim bis Cöln so fest, dag mehrere Personen
hinübergingen, setzte sich aber wieder in Bewegung und schob
und türmte sich bei Mülheim klirrend übereinander, so dag die
Schollenhügel die Stadt fast überragten. Der breite Rheinstrom,
der fast 5 m über der gewöhnlichen Wasserhöhe stand, gÜ^1
einem Eisgebirge. Weil der Strom oberhalb Mülheim noch
eine Zeitlang offen blieb, trieben immer mehr Schollen herab,
die sich über dem stehenden Eise auftürmten oder darunter
schoben, so dag der Wasserlauf verengt wurde. Diese Ver¬
stopfung führte am 17. Januar eine Überschwemmung herbei-
Die aufgestaute Flut überstieg die Dämme bei Westhoven und
ergötz sich landeinwärts auf Mülheim herab, so dag der tiefer
gelegene Stadtteil überschwemmt wurde und der höher ge'
legene Teil eine Insel bildete. Nachdem die Eisdecke durch
Anschieben der Schollen stromauf gestiegen war, verliefen sich
die Wasser wieder. Darauf erhöhte man den Damm zu West¬
hoven um 3 m über jenen Flutstand.
So blieb die Eisdecke volle sieben Wochen bei anhalten¬
der Kälte stehen und verdickte sich, bis Ende Februar Tau-
wetter und starker Regen eintrat. Da brach am 26. Februar
früh morgens das Eis oberhalb Bonn, während die Decke bei
Mülheim feststehen blieb. Das Wasser stieg in Mülheim und
Cöln fast um 5 m höher, als es 1740 gestanden, 12 m über
dem Pegel. In dem tiefer gelegenen Teile der Stadt Mülheim
mutzten die Bewohner aus dem Erdgeschosse in das erste,
dann in das zweite Stockwerk, dann auf den Speicher flüchten,
dann von Dach zu Dach, von den niedrigen Häusern in höher
gelegene. In der neuen lutherischen Kirche hatten über 400
Personen auf dem Söller Schutz gesucht. Nachen fuhren durch
die Stadt und nahmen Kinder und Kranke von den Dächern
auf. Da, gegen 10 Uhr morgens, brauste die Eisflut von West¬
hoven aus, wo der Damm durchbrochen war, gegen die Stadt;
Schiffe zerschellten gleich Nutzschalen, Häuser sanken in Trüm¬
mer. Die lutherische Kirche wurde weggefegt, nachdem die
Flüchtlinge sich in den Turm zusammengedrängt hatten. Auch
der Turm zitterte und wankte im Anprall, doch hielt er aus-
Das Jammergeschrei von Tausenden und fruchtloser Hilferuf
übertönten das Brausen der Flut, das Klirren der Eisberge,
das Krachen der Gebäude. Doch zeitweise stockten die in den
Gassen zusammengedrängten Eisberge und wurden als Brücke
benutzt, höher gelegene Gebäude mit stärkeren Mauern zu er¬
reichen. Die katholische Kirche hielt stand und wurde der Stadt