Full text: Geschichte der Römer für Gymnasien und den Selbstunterricht

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gebildeten Klasse Anklang fand, öffnete sich für die auf politisch- 
historischer Grundlage ruhende Prosa eine größere, mehr natio¬ 
nale Wirksamkeit, deren Wurzel im Kern des Römerthums lag. 
Zu einer besondern Höhe schwang sich die Geschichtschrei¬ 
bung hinauf, zu welcher die großen Thaten der Vorzeit einen 
eben so mächtigen Antrieb als höchst geeigneten Stoff gaben. 
Daher waltet auch oft in den Werken der römischen Geschicht¬ 
schreiber das Gefühl der durch die Weltherrschaft verherrlichten 
Nationalgröße und strafender Unmuth über den Tugend- und 
Sittenverfall ihres Volkes vor. Bis zum Ende des zweiten 
punischen Krieges blieb die römische Geschichtschreibung eine bloße 
Stadtchronik und dürre Annalistik, welche die Reihenfolge der Könige 
und Consuln nebst den wichtigsten Jahresvorfällen ohne pragmatischen 
Zusammenhang aufzeichnete. (S. §. 9.). Q. Fabius Pictor (um 
222 v. Ehr.) war der erste, welcher die römischen Großthaten 
in jenem Kriege umfassender und zusammenhängend in lateini¬ 
scher Sprache erzählte. Jedoch die Reihe der großen noch 
vorhandenen Historiker eröffnet erst Jul. Cäsar. Dieser ist 
durch seine bezaubernde kunstlose Einfachheit, Sallustius, 
durch körnige Gedankenschwere, Livius durch patriotische Be¬ 
geisterung und rhetorische Lebendigkeit, Vellejus Parter- 
culus durch Gedrängtheit und treffende Menschenschilderung, 
Curtius durch romantische Schilderungen, und vor allen 
andern T a c i t u s durch Großherzigkeit und Tiefblick selbst 
Muster für die Nachwelt geworden. Die spätern Geschicht¬ 
schreiber ließen über gelehrtes Sammeln die künstlerische Anord¬ 
nung und Zergliederung des Stoffes fast gänzlich aus den Augen 
und waren meist Biographen oder Compendienschreiber. Den 
ersteren diente Suetonius in 12 Biographien der Kaiser (von 
Jul. Cäsar bis auf Domitian) zum Muster. Als Geheimschrei- 
ber Hadrian's stand er den Zeiten der Regenten nicht fern, de¬ 
ren Leben er schilderte, und konnte das kaiserliche Archiv benutzen. 
Die sechs Darsteller der Kaisergeschichte, Äl. Spartianus, Jul. 
Capitolinus, Äl. Lambridius, Vulcatius Gallicanus, Trebellius 
Pollio und Flav. Vopiscus, sämmtlich aus dem dritten und 
vierten Jahrhundert, sind als Fortsetzer des Suetonius anzu¬ 
sehen. Sie bleiben in Ermangelung besserer Schriftsteller immer 
schätzbar; aber in Sprache und Anlage beurkunden sie den ge¬
	        
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