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Je tiefer aber unter Haruns Nachfolgern die Macht
und das Ansehen des Chalifats zu Bagdad sank, und je
kühner die Statthalter der Provinzen desselben nach Un¬
abhängigkeit strebten, oder die Stifter Muhammedanischer
Secten, wie einst Muhammed selbst, ihre Lehren mit
dem Schwerte verbreiteten: desto mehr verschlimmerte
sich der Zustand der Christen im Orient, und desto
gefährlicher wurden die Pilgerfahrten nach den heiligen
Stätten Palästinas. Dieß war hauptsächlich der Fall,
als der Alide oder Fatimide*) Moez von Kairwan
aus Aegypten und Syrien eroberte, seinen Sitz zu Kairo
nahm, und die Abbassiden zu Bagdad als unrechtmäßige
Chalifen verfluchte. Die neuen Chalifen achteten die
Verträge nicht, welche Omar mit den Christen zu Jeru¬
salem aufgerichtet hatte. Besonders handelte der Chalife
Hakem (seit 1010) gegen die Christen gewalthätig; sie lit¬
ten persönliche Kränkungen und Verfolgungen, und meh¬
rere ihrer Kirchen wurden zerstört. Wohl gereute
ihn gegen das Ende seines Lebens diese Verfolgung
der Christen; er erlaubte denen, welche, um der Schmach
zu entgehen, den Islam scheinbar angenommen hatten,
sich wieder zu ihrem alten Glauben zu bekennen, und er¬
theilte allen die Freyheit, ihre zerstörten Kirchen wieder
aufzubauen. Dagegen wurde von den christlichen Pilgern
ein beträchtlicher Preis für den Eingang in Jerusalem
verlangt. Deßungeachtet vermehrten sich die Wanderun¬
rungen nach dem gelobten Lande, wozu wohl auch dieses
beytrug, daß jetzt dem Pilger ein neuer Weg geöffnet
wurde, der ihn der Gefahren und Kosten einer weiten
Seereise überhob. Die Pilgerreisen geschahen nämlich
*) Abkömmling des Ali und der Tochter Muhammed's Fatime.
Oer Urgroßvater des Moez, Abu Muhammed Obaidalla,
hatte im Anfange des loten Jahrhunderts die Herrschaft
der Aliden oder Fatimiden im nordwestlichen Afrika be¬
gründet.