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Anwohner der Reußen oder Russen waren, so gaben ihnen die
Polen hienach den Namen Poreußen oder Borussen, d. i.
„die an oder bei den Russen" (Wohnenden); denn po bedeutet
im Poln. an oder bei. Hieraus ist durch die Zusammenziehung
des Wortes der Name Preußen entstanden. Rauh wie die Natur
des Landes waren auch dessen Bewohner. Sie lebten fast nur
von Krieg und Beute; Polen war unausgesetzt der Tummelplatz
ihrer räuberischen Einsalle.
Unterdessen wurde der Samen des Christenthums an der
Küste von Lievland ausgestreuet. Bremer Kausteute, durch Sturm
an dieselbe verschlagen, stifteten Bekanntschaft mit den wilden
Bewohnern, baueten sich zu Ünkül an (1158), riefen Prediger
in's Land und gründeten ein Bisthum. Schon im Jahre 1201
wurde hier von dem Bischöfe Albert der Orden der Sch wer l-
brüder gestiftet zur Behauptung der Herrschaft und zur Be¬
festigung des Christenthumes, und Lievland/ Esthland, Kurland und
Semgallen von demselben unterworfen.
Diesen neu emporblühenden Orden riefen die hart bedrängten
Polen im Jahre 1215 zu Hülfe; aber seine Macht brach sich
an dem wilden Ungestüme der heidnischen Preußen. Auf's äußerste
gebracht rief endlich 1230 der Herzog Konrad von Masovicn,
einem polnischen Fürstenthume, den deutschen Orden herüber,
welcher seit dem Verluste von Palästina zu Venedig seinen Sitz
hatte. Der Kaiser Friedrich 11. und der Papst Gregor IX.
schenkten chm das Land, um zwischen der Memel und Weichsel
das jZhristenthum auszubreiten. Mehr als ein halbes Jahrhun¬
dert stritten die herübergekommenen Ritter für ihre und des Evan¬
geliums Herrschaft. Schlacht reihete sich an Schlacht, das Blut
floß in Strömen. Endlich unterlagen die Preußen in dem großen
Vertilgungskriege.
Mit väterlicher Milde und Fürsorge beherrschte fortan der
deutsche Orden, welcher auch die Schwertbrüder (1237) mit sich
vereinigte, das eroberte Land. Neue Städte wurden gegründet,
deutsche Kolonisten herübergerufen, und mit den eingewanderten
Deutschen kam auch deutsche Sitte und Verfassung in die neu-