Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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Fürsten, Grafen und Herren, auch dreißig Bischöfe, viele Prälaten 
und Gesandten. Aller Augen waren auf den hereintretenden 
Mönch gerichtet. Ehrerbietig nahete sich dieser dem Throne des 
Kaisers. Dann richtete man an ihn die Frage: ob er die Bücher, 
welche man ihm vorzeigte, für die seinigen anerkenne? Und als 
er sich ohne Anstand für deren Verfasser bekannte, fragte man 
ihn weiter, ob er bereit sei, ihren Inhalt zu widerrufen? In 
diesem entscheidenden Augenblicke schien ihn die Zuversicht, mit 
welcher er gekommen war, zu verlassen; denn ec bat sich Bedenk¬ 
zeit aus. Seine Bitte ward ihm gewahrt, jedoch nicht ohne den 
Vorwurf, daß er ja Zeit genug gehabt habe, zuvor darüber nach¬ 
zudenken. Desto größer aber war die Entschlossenheit, mit welcher 
er am folgenden Tage seine Grundsätze vertheidigte und die Auf¬ 
forderung zum Widerrufe mit der Erklärung von sich wies: „sein 
Gewissen erlaube ihm nicht, zu widerrufen, so lange er nicht über¬ 
zeugt sei, daß seine Meinung der Bibel widerspreche." Er schloß 
mit den Worten: „Hier steh ich, ich kann nicht anders; Gott 
helfe mir! Amen." — Karl beobachtete ihn wahrend der ganzen 
Verhandlung mit großer Aufmerksamkeit. In Luther's Zügen 
und in der Heftigkeit seiner Gebehrden lag etwas, das sehr gegen 
,___ ihn einnahm, so daß der junge Kaiser seinen Vertrauten zuflüsterte: 
„ihn werde solch ein Mensch nie dem Glauben seiner Vater ab¬ 
wendig machen." 
Einige Tage hindurch suchte man in Privatversammlungen 
Luther von seiner Widersetzlichkeit abzubringen; allein vergebens. 
Endlich forderte ihn der Kurfürst von Trier auf, selbst ein Mittel 
an die Hand zu geben, um Alles wieder in Ordnung zu bringen. 
Luther aber entgegnete ihm: „Ist dieses ein Menschenwerk, so wird 
es aus sich zergehen; ist es aber von Gott, so werdet ihr es 
nimmer zerstören." Da erklärte der Kaiser feierlich: „er sei ent¬ 
schlossen, alle seine Reiche, Lander, Freunde, ja das Leben selbst 
daran zu setzen, damit dieses gottlose, ihm und dem deutschen 
Volke zur ewigen Schande gereichende Unternehmen keinen weiteren 
Fortgang habe." Sein kaiserliches Wort aber hielt er ihm und 
gewährte ihm das freie Geleit zur Rückreise auf ein und zwanzig 
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