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Wechsel der Minister zeugte von dem unstatcn Schwanken der
Regierung. Die Erbitterung der Parteien war so lange genährt,
der Kampf so heftig, daß sich eine baldige Entscheidung wohl voraus¬
sehen ließ. Mitten zwischen diesen Gahrungen, am 13. Februar
1820, siel der edele Herzog von Berry, der jüngste von des Kö-
/ niges Brüdersöhnen, als er des Abends aus dem Opernhause ging,
durch den Dolch eines Bösewichtes, Namens Louvcl. Diese ver¬
brecherische That gab der Ultrapartei Veranlassung, die Grundsätze
der Liberalen als höchst verdächtig und staatsgesahrlich zu ver¬
schreien. Der König wurde vermögt, ein neues Ministerium,
größtentheils aus gemäßigten Mitgliedern der Ultrapartei, zu bilden
und an die Spitze desselben den Grafen Villele zu stellen.
Um diese Zeit übernahm es auch der französische Hof, zur
Aufrechthaltung der königlichen Gewalt in Spanien bewaffnet ein¬
zuschreiten. . Hier war Ferdinand VII. zur Wiederherstellung der
Verfassung vom Jahre 1812 gezwungen und beim Einrücken der
Franzosen als Gefangener nach dem festen Kadix abgeführt wor¬
den. Diesmal wurden die Franzosen, unter Anführung des Her¬
zoges von Angouleme, mit offenen Armen empfangen. Kadix
wurde erobert, was selbst Napoleon nicht gelungen war, und der
König befreiet. Dieser unerwartet glückliche Zug erhöhete das An¬
sehen der Bourbons in Frankreich.
, Am 16. September 1824 starb Ludwig XVIII. Ihm folgte
sein Bruder, der obengenannte Herzog von Artois als Karl X.
Er hielt das bisherige Ministerium bei, in welchem Villele einen
überwiegenden Einfluß übte. Durch ihn wurden auch die Jesuiten
unter dem Namen der Eongregation wiederhergestellt. Dies, und
sein offenbares Bestreben, die Grundverfassung des Staates, die
sogenannte Charte zu schmälern, erzeugte wieder einen heftigen und
bedenklichen Kampf zwischen den Liberalen und Ultra's. An
Villele's Stelle trat der Fürst Polignac, dessen Streben dahin
ging, durch auswärtige Unternehmungen dem französischen Natio¬
nalstolze zu schmeicheln und die Regierung der Bourbons zu
empfehlen, vor allem aber, die Aufmerksamkeit des Volkes anderswo
zu beschäftigen.