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eine Stimme, und so konnte also die erste Klasse alle übrigen
überstimmen. Die letzte Klasse aber verlor hiedurch fast allen
Einfluß im Staate. Diese außerordentliche Begünstigung der Vor¬
nehmen führte hernach zu großen und langwierigen Streitig¬
keiten.
Weil aber das Vernrögen einzelner Bürger sich mit der
Zeit vermehren oder vermindern konnte, so verordnete er alle fünf
Jahre eine Schätzung (Census), die mit einem ReinigungsoPfer
(Lustrum) an fing. Bei der ersten Musterung fanden sich schon
84,700 waffenfähige Bürger. Diese theilte er nach ihren Wohn-
plätzen in dreißig Distrikte oder Tribus, von denen, da der
reichere Theil der Bürger aus angestammter Neigung das Land
bewohnte, nur vier auf die Stadt Rom kamen. Es galt später
sogar als eine Strafe, aus einer ländlichen Tribus in eine
städtische versetzt zu werden.
Unter Servius wurden auch die beiden letzten Hügel von
Rom, der v i m i n a l i sch e und esquili n i sch e, angebauet und
mit besiegten Völkern aus Italien besetzt. So thronte Rom
jetzt auf sieben Hügeln; man nennt sie daher wohl die Sie-
b enh ü g el stadl.
Schon jetzt erkannten die kleinen, benachbarten Staaten
der Sabiner und Latiner Rom als ihr Oberhaupt an. ServiuS
errichtete mit ihnen einen Friedensbund, den sie durch jähr¬
liche Zusammenkünfte aus dem aventinischen Hügel in dem neu
errichteten Tempel der Göttin Diana gemeinschaftlich feierten.
Man kann denken, daß sich-der König durch seine kühnen
Neuerungen bei Vielen Haß und Feindschaft zuziehen mußte.
Darum glaubten auch die übergangenen Söhne des Tarquinius,
Aruns und Lueius Tarquinius, jetzt sei es der geeignetste
Zeitpunkt, sich des Thrones zu bemächtigen. Der alte Servius
aber, eingedenk des Todes seines Vorgängers, hatte sich mit
ihnen auszujöhnen gesucht. Er hatte seine beiden Töchter mit
den beiden Söhnen desselben verheirathet. Wie diese, so waren