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sehen elendiglich umkamen. Viele Notleidende sammelten sich um
die Burg zu Mainz, wo Hatto sein Hoflager hatte, und schrien um
Brot. Der hartherzige Bischof aber verweigerte es ihnen, obgleich
seine Speicher gefüllt waren, und schalt sie, dass sie müssiges, schlech¬
tes Volk wären und nicht arbeiten wollten. Die Armen baten drin¬
gender; da schickte Hatto seine Knechte gegen sie und liess sie er¬
greifen, so viel ihrer waren, Männer, Weiber, Greise und Kinder, in
eine Scheune sperren und gab hierauf Befehl, die Scheune anzu¬
zünden. Das war ein schrecklicher Anblick, und die Steine hätten
sich mögen daroh erbarmen; nur der Bischof blieb unerweicht und
spottete vielmehr, indem er sagte: „Hört, wie die Mäuslein pfeifen!“
Da kam das Strafgericht des Himmels über Hatto. Ungeheure
Schwärme von Mäusen erschienen in seinem Schlosse, und zuletzt
wusste niemand sich ihrer zu erwehren. Je mehr man ihrer tödtete,
desto grösser wurde ihre Anzahl. Da entfloh Hatto nach Bingen und
liess am Fuss des Buppertsberges einen Thurm in den Khein bauen
und rettete sich auf einem Nachen in den Thurm. Doch die Mäuse
verfolgten ihn auch hierher; sie schwammen über das Wasser, klet-
terten in den Thurm und brassen ihn selbst bei lebendigem Leibe auf.
Brüder Grimm.
26. Die Lorelei.
tf 1.
weiß nicht, was soll es be¬
deuten,
ß ich so traurig bin;
ein Märchen aus alten Zeiten,
das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl, und es dunkelt,
und ruhig fließt der Rhein;
der Gipfel des Berges funkelt
im Abendsonnenschein.
2.
Die schönste Jungfrau sitzet
dort oben wunderbar;
ihr goldnes Geschmeide blitzet;
sie kämmt ihr goldenes Haar.
Sie kämmt es mit goldenem Kamme
und singt ein Lied dabei;
das hat eine wundersame,
gewaltige Melodei.
3.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
ergreift es mit wildem Weh;
er schaut nicht die Felsenriffe,
er schaut nur hinauf in die Höh.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
am Ende Schiffer und Kahn,
und das hat mit ihrem Singen
die Lorelei gethan. Heine.
27. Der Dom zu Köln.
Unter den vielen Kirchen der Stadt Köln und überhaupt unter allen
Kirchen Deutschlands ist eine der merkwürdigsten und vorzüglichsten der
herrliche Dom. Der Bau des Domes begann im Jahre 1248 durch den