Neue Geschichte.
1517—1789.
Erste Periode.
Von der Reformation bis zu in Ausbruche des
dreißigjährigen Krieges. 1517 —1618.
70. Luther und Melanchthon.
Äie christliche Kirche war im Laufe der Zeiten durch Mi߬
bräuche und menschliche Zusätze so verunstaltet worden, daß kein
Apostel sie wiedererkannt haben würde. Besonders war die
Geistlichkeit in den tiefsten Verfall gerathen. Ohne allen Sinn
für wahre Frömmigkeit, Gottvertrauen und Menschenliebe, hiel¬
ten sie das arme Volk an, unverständliche Gebete herzumur¬
meln, sinnlose Gebräuche zu beobachten, und sich allerhand nutz¬
lose Büßungen aufzulegen, und erzählten ihm in ihren Predig¬
ten erdichtete Wunderthaten der sogenannten Heiligen, statt ihm
die Wahrheiten der Religion Jesu und die Vorschriften der
Tugend einzuschärfen. Dann und wann wurden auf der Kanz-
zel gar Narrenspossen getrieben. Das geschah besonders zu
Ostern, um das sogenannte Ostergelächter hervorzubringen. Ein
Prediger rief wie ein Kukuk, ein andrer schnatterte wie eine
Gans, noch andre erzählten schmutzige Geschichten und freuten
sich, wenn die heiligen Mauren vom Gelächter der Menge wie¬
derhallten.
Nicht besser waren der Papst und die oberen Geistlichen.
Um die Pflege der Religion bekümmerten sie sich nicht im min¬
desten, wohl aber um gutes Essen und Trinken, und um das
dazu nöthige Geld zusammenzubringen, hatten sie verschiedene